Kolumba
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7. Mai bis 25. August 2014
Achim Lengerer – Scriptings #40: Entretien sonore avec Fernand Deligny (Öffentliche Proben für eine Tonspur)

Achim Lengerer setzt sich in seiner künstlerischen Praxis mit verschiedenen Wirkungs- und Funktionsweisen von Sprache und Text auseinander. Neben Performances, Rauminstallationen und Publikationen gehören Workshops, performative Vorträge und öffentliche Veranstaltungen zu seinen Ausdrucksformen. In Berlin betreibt er den Ausstellungsraum und Verlag Scriptings.
Die Auseinandersetzung mit dem französischen Pädagogen, Schriftsteller und Filmemacher Fernand Deligny (1913–1996) ist Ausgangspunkt des Projektes, das Achim Lengerer in Zusammenarbeit mit Kolumba, dem Musikstudio des Westdeutschen Rundfunks sowie FLACC Workplace for Visual Artists (Genk, Belgien) realisieren wird. Deligny beginnt in den 1940er Jahren, als Sozialarbeiter mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten. Von Anfang an begleitet er seine Arbeit schreibend: »Le moindre geste a une histoire«/»Die kleinste Geste hat eine Geschichte«, notiert er als ersten Satz für den November 1966 im »Journal d’un éducateur«/»Tagebuch eines Pädagogen«. Im Verlauf der 60er Jahre zieht sich Fernand Deligny mehr und mehr aus jedwedem institutionellen Zusammenhang zurück. Er gründet mit jungen Erwachsenen in Südfrankreich eine Siedlung, um mit von der Psychiatrie als »autistisch« bezeichneten Kindern zusammenzuleben.
In seiner pädagogischen Arbeit ist es nicht Ziel, die ihnen anvertrauten Kinder zu erziehen oder zu heilen. Vielmehr wird versucht, den Kindern innerhalb (und außerhalb) der Lebensstruktur der Erwachsenen abweichende Wege zu ermöglichen, ihnen ein Um- und Handlungsfeld für ihre wesenseigene Nutzung von Raum und Zeit zu schaffen. Durch die Jahrzehnte entstehen mehrere dokumentarische Filmprojekte mit begleitenden Texten (u.a. »Le Moindre Geste«, 1962–1971, und »Ce gamin, là«, 1975, Regie: Renaud Victor) sowie Schriften zum kinematografischen Bild (»Camérer«, 1983, und »Ce qui ne se voit pas«, 1990). Delignys Nachdenken über den Film zeigt sich z.B. in der Art und Weise, wie in »Ce gamin, là« die Tonspur eingesetzt wird: Deligny nutzt das filmische Voix-off/Voice-over als (s)eine literarische Erzählstimme, die dem filmischen Bild vorsichtig parallel gesetzt wird; eine Tonspur, die der Bildspur »angelegt« wird und die sich in fragiler Balance zum NICHT SPRECHEN der Kinder artikuliert.
Achim Lengerer nähert sich dem Denken von Fernand Deligny »innerhalb und außerhalb der Sprache«. Ein Archivraum in Kolumba dokumentiert die Arbeit von Fernand Deligny und seinen Mitarbeitenden: Zeichnungen, Karten, Zeitschriften, Bücher, Texte und der Film »Ce gamin, là« geben Einblick in deren Denken und Handeln. Mit dem sprachlichen Denken von Deligny wird sich Achim Lengerer in einem kollektiven Übersetzungsworkshop auseinandersetzen. Den benachbarten, gänzlich leergeräumten Turmraum nutzt er als Handlungsfeld »hors langage/außerhalb von Sprache«. Mit Öffentlichen Proben für eine Tonspur eröffnet er ein Experimentierfeld für soziale Beziehungen, um anknüpfend an Delignys Unterscheidung der Verben »faire/machen« und »agir/handeln« zielgerichtetes bzw. zielfreies Handeln zu erproben. Wie können Räume der akustischen, sinnlichen Interaktion und sozialen (Ver-)Handlung geschaffen werden, die von Achtsamkeit, Aufmerksamkeit, aber auch von Abweichung geprägt sind und die sich jenseits hierarchisierender Sprache artikulieren? Bei FLACC in Belgien wird das Projekt den Museumsraum verlassen: In der Gemeinde Genk sollen die erprobten Strategien der (Ver-)Handlung in eine zeitgenössische sozialtherapeutische Arbeitspraxis mit verschiedenen privat oder städtisch organisierten Gruppen eingebracht werden. Wird sich hier die künstlerische Praxis als naiver Versuch ausweisen? Oder lassen sich vereinzelte gefundene Bewegungen auch im gesellschaftlichen Raum außerhalb des Museums anwenden? Können sie eine soziale Relevanz entwickeln, die einen gesellschaftlichen Anspruch formuliert?

Teilnahme an öffentlichen PROBEN:
14.–18. Mai, 18.–22. Juni, 16.–20 Juli, 13.–17. August , jeweils 12–17 Uhr. Bitte um Anmeldung unter mail@kolumba.de.

Das gesamte Projekt wird dokumentiert in einem Hörstück, das in Zusammenarbeit mit dem WDR in Köln entsteht, sowie in der Publikation Scriptings#40, die bei FLACC realisiert und im Winter 2014 erscheinen wird.

Veranstaltungen (regulärer Eintritt):

15. Mai, 18 Uhr, Bibliothekstisch
Agir et Faire hors language/Handeln und Machen außerhalb der Sprache
Achim Lengerer und Barbara von Flüe im Gespräch mit Sandra Alvarez de Toledo, Verlegerin (engl./frz./dt.) (Das Museum ist bis 18 Uhr geöffnet)

17. Juli, 18 Uhr, Bibliothekstisch
Ce qui ne se voit pas/Das was sich nicht sieht (Was nicht gesehen wird)
Achim Lengerer im Gespräch mit Hartwig Zander über Delignys »kinematografische Schriften«

14. August, 18 Uhr, Kolumba
Le moindre geste a une histoire/Die kleinste Geste hat eine Geschichte
Regina Barunke, Leiterin Temporary Gallery, Köln im Gespräch mit Achim Lengerer

20. August, 20 Uhr, Kino 813
Ce gamin, là, Regie: Renaud Victor, 1975
Filmvorführung und Performance mit Achim Lengerer, Maria Iorio und Raphaël Cuomo, Kino 813 in der BRÜCKE, Hahnenstraße 6, 50667 Köln
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Kunstmuseum
des Erzbistums Köln

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KOLUMBA :: Aktuell :: 2014 Achim Lengerer

7. Mai bis 25. August 2014
Achim Lengerer – Scriptings #40: Entretien sonore avec Fernand Deligny (Öffentliche Proben für eine Tonspur)

Achim Lengerer setzt sich in seiner künstlerischen Praxis mit verschiedenen Wirkungs- und Funktionsweisen von Sprache und Text auseinander. Neben Performances, Rauminstallationen und Publikationen gehören Workshops, performative Vorträge und öffentliche Veranstaltungen zu seinen Ausdrucksformen. In Berlin betreibt er den Ausstellungsraum und Verlag Scriptings.
Die Auseinandersetzung mit dem französischen Pädagogen, Schriftsteller und Filmemacher Fernand Deligny (1913–1996) ist Ausgangspunkt des Projektes, das Achim Lengerer in Zusammenarbeit mit Kolumba, dem Musikstudio des Westdeutschen Rundfunks sowie FLACC Workplace for Visual Artists (Genk, Belgien) realisieren wird. Deligny beginnt in den 1940er Jahren, als Sozialarbeiter mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten. Von Anfang an begleitet er seine Arbeit schreibend: »Le moindre geste a une histoire«/»Die kleinste Geste hat eine Geschichte«, notiert er als ersten Satz für den November 1966 im »Journal d’un éducateur«/»Tagebuch eines Pädagogen«. Im Verlauf der 60er Jahre zieht sich Fernand Deligny mehr und mehr aus jedwedem institutionellen Zusammenhang zurück. Er gründet mit jungen Erwachsenen in Südfrankreich eine Siedlung, um mit von der Psychiatrie als »autistisch« bezeichneten Kindern zusammenzuleben.
In seiner pädagogischen Arbeit ist es nicht Ziel, die ihnen anvertrauten Kinder zu erziehen oder zu heilen. Vielmehr wird versucht, den Kindern innerhalb (und außerhalb) der Lebensstruktur der Erwachsenen abweichende Wege zu ermöglichen, ihnen ein Um- und Handlungsfeld für ihre wesenseigene Nutzung von Raum und Zeit zu schaffen. Durch die Jahrzehnte entstehen mehrere dokumentarische Filmprojekte mit begleitenden Texten (u.a. »Le Moindre Geste«, 1962–1971, und »Ce gamin, là«, 1975, Regie: Renaud Victor) sowie Schriften zum kinematografischen Bild (»Camérer«, 1983, und »Ce qui ne se voit pas«, 1990). Delignys Nachdenken über den Film zeigt sich z.B. in der Art und Weise, wie in »Ce gamin, là« die Tonspur eingesetzt wird: Deligny nutzt das filmische Voix-off/Voice-over als (s)eine literarische Erzählstimme, die dem filmischen Bild vorsichtig parallel gesetzt wird; eine Tonspur, die der Bildspur »angelegt« wird und die sich in fragiler Balance zum NICHT SPRECHEN der Kinder artikuliert.
Achim Lengerer nähert sich dem Denken von Fernand Deligny »innerhalb und außerhalb der Sprache«. Ein Archivraum in Kolumba dokumentiert die Arbeit von Fernand Deligny und seinen Mitarbeitenden: Zeichnungen, Karten, Zeitschriften, Bücher, Texte und der Film »Ce gamin, là« geben Einblick in deren Denken und Handeln. Mit dem sprachlichen Denken von Deligny wird sich Achim Lengerer in einem kollektiven Übersetzungsworkshop auseinandersetzen. Den benachbarten, gänzlich leergeräumten Turmraum nutzt er als Handlungsfeld »hors langage/außerhalb von Sprache«. Mit Öffentlichen Proben für eine Tonspur eröffnet er ein Experimentierfeld für soziale Beziehungen, um anknüpfend an Delignys Unterscheidung der Verben »faire/machen« und »agir/handeln« zielgerichtetes bzw. zielfreies Handeln zu erproben. Wie können Räume der akustischen, sinnlichen Interaktion und sozialen (Ver-)Handlung geschaffen werden, die von Achtsamkeit, Aufmerksamkeit, aber auch von Abweichung geprägt sind und die sich jenseits hierarchisierender Sprache artikulieren? Bei FLACC in Belgien wird das Projekt den Museumsraum verlassen: In der Gemeinde Genk sollen die erprobten Strategien der (Ver-)Handlung in eine zeitgenössische sozialtherapeutische Arbeitspraxis mit verschiedenen privat oder städtisch organisierten Gruppen eingebracht werden. Wird sich hier die künstlerische Praxis als naiver Versuch ausweisen? Oder lassen sich vereinzelte gefundene Bewegungen auch im gesellschaftlichen Raum außerhalb des Museums anwenden? Können sie eine soziale Relevanz entwickeln, die einen gesellschaftlichen Anspruch formuliert?

Teilnahme an öffentlichen PROBEN:
14.–18. Mai, 18.–22. Juni, 16.–20 Juli, 13.–17. August , jeweils 12–17 Uhr. Bitte um Anmeldung unter mail@kolumba.de.

Das gesamte Projekt wird dokumentiert in einem Hörstück, das in Zusammenarbeit mit dem WDR in Köln entsteht, sowie in der Publikation Scriptings#40, die bei FLACC realisiert und im Winter 2014 erscheinen wird.

Veranstaltungen (regulärer Eintritt):

15. Mai, 18 Uhr, Bibliothekstisch
Agir et Faire hors language/Handeln und Machen außerhalb der Sprache
Achim Lengerer und Barbara von Flüe im Gespräch mit Sandra Alvarez de Toledo, Verlegerin (engl./frz./dt.) (Das Museum ist bis 18 Uhr geöffnet)

17. Juli, 18 Uhr, Bibliothekstisch
Ce qui ne se voit pas/Das was sich nicht sieht (Was nicht gesehen wird)
Achim Lengerer im Gespräch mit Hartwig Zander über Delignys »kinematografische Schriften«

14. August, 18 Uhr, Kolumba
Le moindre geste a une histoire/Die kleinste Geste hat eine Geschichte
Regina Barunke, Leiterin Temporary Gallery, Köln im Gespräch mit Achim Lengerer

20. August, 20 Uhr, Kino 813
Ce gamin, là, Regie: Renaud Victor, 1975
Filmvorführung und Performance mit Achim Lengerer, Maria Iorio und Raphaël Cuomo, Kino 813 in der BRÜCKE, Hahnenstraße 6, 50667 Köln