Kolumba
Kolumbastraße 4
D-50667 Köln
tel +49 (0)221 9331930
fax +49 (0)221 93319333


»…Zu den begehrtesten Insider-Tipps in der Kölner Kunstwelt zählten die schrägen KPSW-Events dann nicht nur in den 80er Jahren, sondern über Jahrzente. Offenbar tun sie es posthum auch heute noch: Als „Ausstellung in der Ausstellung“ ist im Ostturm von Kolumba seit September eine faszinierende Präsentation aus dem KPSW-Kosmos zu sehen. Nicht nur als Leigabe: Ein Drittel der Exponate gehört zur Nachlass-Schenkung des Künstlers an das von ihm stets geschätzte Haus. So wird Klaus Peter Schnütger-Webs auch künftig in den Kolumba-Ausstellungen präsent sein und für produktive Verwirrung sorgen.
Den anarchischen Geist des Projekts kann man in der aktuellen Ausstellung anhand zahlreicher Exponate erleben. Institutionskritisch, gerne auch klamaukig waren viele der Inszenierungen, die meist in Kooperation mit den Videokünstlerinnen Maria Fedder, Bettina Gruber sowie dem Fotografen Wolfgang Vollmer entstanden. Mit Vollmer produzierte Tillmanns 1984 den umwerfenden Fotoband „Meisterwerke der Fotokunst“, mit einem Originalsplitter (!) der Plattenkamera von Klaus Peter Schnüttger-Webs: Hier posiert Tillmann als Darsteller in Foto-Persiflagen von etlichen Ikonen der modernen Fotokunst. Bettina Gruber, die Tochter von Kölns prominentem Foto-Experten und Kunstsammler Fritz Gruber, agierte in Tillmanns Museum offiziell als Vorsitzende des KPSW-Fördervereins, Maria Vedder als Hauptkustodin des virtuellen Ausstellungshauses.
Das KPSW sei, wie Direktor Ulrich Tillmann auf einer Vernissage in kunsthistorisch-bürokratischer Diktion einmal schlaumeierte, „nicht ein System der Ordnung, sondern ein System der Unordnung“. Wohl wahr, auch für Bettina Gruber: Sie habe immer „voller Freude“ mit Tillmann improvisiert, erzählt sie, nach der bewährten Devise „Wir machen das jetzt einfach!“ – selbst als sie für einen Super 8 Film ohne vorherige Proben gemeinsam mit Tillmann auftreten und einen Strip hinlegen sollte, ihm aber bald rat- und hilflos hinterherblickte, als dieser einfach mitten im Dreh und kommentarlos das Setting verließ. Der komische Streifen wird auch in Kolumba gezeigt…. (Uta M. Reindl, Die Subversion der Fiktion. Das Klaus Peter Schnüttger-Webs Museum brennt im Kolumba ein Feuerwerk an Kunst-Fakes ab Kunstforum International, Bd. *, S. *)

»Einen ganz anderen Beitrag zum vielfältig gefeierten Bauhausjubiläumsjahr 2019 hat das Kolumba nun vorgelegt – in einem wie immer sehenswerten Zusammenspiel von klerikaler und profaner Kunst, von Kunsthandwerk und Bildender Kunst sowie mit einem großen historischen Bogen von Mittelalter bis heute. „Aufbrüche“ überschreibt sich naheliegend die Schau im Nachklang zum Bauhausjubiläum, die punktuell die Jahre 1919, 1949 sowie 1969 veranschaulicht, vor allem erstmalig ausschließlich mit Exponaten aus der 30jährigen Kolumba-Sammlung. Die jeweils prägenden Aufbruchsgeschehnisse präsentieren sich mit einigen, wenn auch aufschlussreichen Schlänkern. Schließlich verlaufen Aufbrüche selten zielgerichtet, schon gar nicht geordnet! | Der Rundgang zur Bauhaus-Präsentation findet seinen Auftakt unter anderem in einem der Schlüsselwerke aus der Künstlergruppe „Junges Rheinland“, nämlich in Gert H. Wollheims Gemälde „Friesische Landschaft“ (1919), oder auch in einigen Designobjekten etwa vom Bauhaus-Wegbereiter Peter Behrens sowie von Bauhausdirektor Walter Gropius – in einer Säulenvitrine unweit davon. Das spätmittelalterliche Tafelbild „Jüngstes Gericht“ (um 1500) vom Meister der Ursula Legende illustriert sodann gewissermaßen religiöse Aufbrüche:
Neben Sockelvitrinen mit Kleinplastiken von Franz Wilhelm Seiwert dokumentiert sich das „Junge Rheinland“ mit seinen Gründungsmitgliedern Walter Ophey und Gert Wollheim sowie die 1912 für Köln bedeutsame internationale Sonderbundausstellung durch eine Fülle von Katalogen, Dokumenten, Schriftstücken in Tischvitrinen. So etwa zur „Neukölnischen Malerschule“ von 1919, die in den 1920er Jahren in die „Gruppe Progressiver Künstler“ mündete – mit Marta Hegemann, Angelika und Heinrich Hoerle oder Anton Räderscheidt. Zwischen all den Vitrinen steht der „Werkstuhl“ aus den 1930er Jahren von der in der Kolumba-Sammlung gut präsenten Schenkung Werner Schriefers. In diesem Areal befassen sich schließlich einige Grafiken ausdrucksstark mit dem Kriegsgrauen sowie dem wirtschaftspolitischen Chaos: Um das Arbeitslosenproblem geht es in dem kleinen Linolschnitt von Franz Wilhelm Seiwert mit der rhetorischen Frage „Proletarier erschlagen – wer fragt danach?“ (um 1924). Im kleinen Raum nebenan entfaltet sich ein sehr gelungener Dialog zwischen angewandter und freier Kunst. Zwischen Spritzdekor-Keramiken aus den 1920er, 30er Jahren und den Kreidezeichnungen Walter Opheys von 1920 bis 1927.
Die Ausstellung macht deutlich, wie kurzlebig doch Avantgardebewegungen in Köln waren, so etwa auch die der Dadaisten, die sich in der Domstadt weitgehend auf die Bildende Kunst konzentrierten – anders als die Künstler in den Dada-Zentren Zürich und Paris etwa. Das Bauhaus präsentiert sich sodann förmlich mit Pauken und Trompeten. Neben den wiederum reichhaltigen Tischvitrinen zur Gründungs- und Entwicklungsgeschichte des Bauhauses nämlich fokussieren einige die theatralischen wie musikalischen Auftritte der Bauhäusler. Letztere werden gar akustisch erfahrbar im Audio-Dokument mit Musikstücken sowie Erläuterungen von Andor Weininger, dessen zeichnerische und malerische Werke auch die Wände dieses Raumes dominieren. Er war, so ist der aufschlussreichen kleinen Ausstellungsbroschüre zu entnehmen, kein Bauhaus-Meister, dennoch eine prominente Figur in der Geschichte des Bauhauses. Einige seiner geometrisch-räumlichen Kompositionen kommen insbesondere farblich zu einem trefflichen Zusammenspiel mit den mittelalterlichen Kleinplastiken von Konrad Kuyn (um 1400). Im angrenzenden verdunkelten Raum 9, der edelsteinbesetzten Reliquiarien oder Kruzifixen vorbehalten ist, geht es um Kristalle und die gerne Glas verarbeitenden Bauhausarchitekten. Letzteres führt eine kleine Projektion etwa mit Bruno Tauts „Alpiner Architektur“ vor – ein wenig beengt in der Pracht all der funkelnden Kirchenschätze ringsum.
Im Treppenhaus zur zweiten Etage mag den einen oder anderen kurz der Eindruck von der bescheidenen Künstlerrinen-Präsenz in der Ausstellung beschleichen – angesichts der Bleistiftzeichnungen von Anna Blume „Die reine Empfindung“ (1993) mit entsprechenden Kandinsky- und Malewitisch-Zitaten. Gerade oben angekommen, schon richtet die Muttergottes mit Kind von Jeremias Geisselbrunn (um 1650) alle Aufmerksamkeit auf Kolumba in eigener Sache, denn die impressionante Alabaster-Skulptur war mit St. Kolumba im Zweiten Weltkrieg zerstört und Anfang der 1990er Jahren rekonstruiert worden. Unweit davon veranschaulichen dazu noch Tuschezeichnungen Georg Meistermanns von 1949 eindrücklich das zerstörte Köln. Das morderne Rheinland nach 1945 entfaltet sich schließlich hier in einer Tischvitrine unter anderem mit zwei leicht organisch gebogenen Holzkruzifixen: dem Ebenholz-Kruzifixus von Ewald Mataré (1937) und dem Handkreuz aus Buche von Joseph Beuys (1949). Im hinteren Bereich des Saals sollte der Besucher – aber erst nach der Betrachtung des Albinus-Schreines aus dem Jahr 1148 – nicht die legendären Kölner Schrein-Prozessionen durch die Trümmerlandschaft anlässlich des Domjubiläums versäumen, wie sie die Schwarz-Weiß-Fotografien von Karl Hugo Schmölz (1948) dokumentieren. Der Lederstuhl samt Koffer auf der Sitzfläche ganz in der Nähe übrigens, beides von dem Architekten und Gestalter Hans Schwippert (1948/48), ist natürlich auch ein Ausstellungsstück. | Der Gang hin zur zeitgenössischen Kunst schließlich führt so quasi durch die mythischen Berglandschaften des Himalayas (1978 – 1984), fotografiert von dem Filmemacher und Ethnologen Michael Oppitz, hin zu der nicht minder mythischen Ready-Made-Assemblage „Die Heiligen Drei Könige“ (1989) von Michael Buthe. Marek Poliks Klangpavillon „Interdictor 2017 – 2019“ und Bernhard Leitners Soloauftritt im Nordturm von Kolumba mögen den gattungsübergreifenden Schwerpunkt des Hauses illustrieren, das – durchaus im Sinne der Bauhaustradition – regelmäßig zu Konzerten mit Klangkunst, Moderner Musik und Performances einlädt. | Mit „1919 49 69ff. Aufbrüche“, so heißt es in der Pressemitteilung von Kolumba, wolle das Haus „erstmals den Versuch wagen“ mittels seiner Sammlung „historische Zeitabschnitte ästhetisch zu vermitteln“. Der Versuch hat sich absolut gelohnt, vor allem für Besucher, denen die gerne assoziative Narration und die Dichte der Ausstellung Vergnügen bereitet.« ((Uta M. Reindl, 1919 49 69ff. Aufbrüche, Kunstforum International, Bd.267, Mai 2020, S.262ff.)

»Während noch die Jahresausstellung „Pas de Deux“ mit Exponaten aus den Sammlungen zweier Kölner Institutionen (Kolumba / Römisch-Germanisches Museum) vielfältige Duett-Variationen von Kunst und Kunsthandwerk aus römischer, moderner sowie heutiger Zeit im ganzen Haus erlebbar machte, bot die Sonderausstellung im Kolumba Museum Tänze anderer Art. In der mit Bewegliche Mythen betitelten monografischen Schau von Michael Oppitz wird keineswegs artig zu zweit getanzt, dafür aber mit prächtigem Federschmuck gerne im Trancezustand, wie es die Fotoarrangements an der Wand oder in Vitrinen illustrieren. Die zum Ritual getragenen Ornate aus dicken Glocken und Ketten sowie andere, ähnlich üppig verzierte Objekte lassen sich auch dort bewundern. Nicht minder magisch mutet vor allem jene Installation der mit allerlei Artefakten dekorierten Trommeln aus Sibirien im Nebenraum an, als warteten alle 25 auf ihren nächsten Einsatz. Schamanen von kleinen Völkern des Himalaya, von „Kulturen an den Rändern der Schrift“ sind die Protagonisten von Bewegliche Mythen sowie das sich mit ihnen befassende Werk des Ethnologen und Filmemachers Michael Oppitz, der in Wissenschaft und Kunst gleichermaßen zuhause ist. Auf dem Rundgang tauchen immer wieder bekannte Künstlernamen auf: Marcel Broodhaers mit Dokumenten etwa von seiner Düsseldorfer Ausstellung Der Adler vom Oligozän bis Heute (1972). Lothar Baumgarten gemeinsam mit Oppitz, „im Dunst einer 10-Pfennig-Zigarre“ und in Kolonialherren- oder auch Dandypose im Botanischen Garten Berlins in einer Schwarz-Weiß-Aufnahme von 1972. Einige Schritte weiter tanzt der Ethnologe höchstpersönlich schamanengleich in den Farbaufnahmen Dance Cologne I, III, II (1973/2018) von Candida Höfer. Diesen Auftritt hält Michael Oppitz im Rückblick für geradezu „visionär“, weil er lange vor oder ohne irgendeine Vorstellung von seinen Feldforschungsideen Mitte der Sechzigerjahre stattgefunden habe. Der 1942 in Niederschlesien geborene Wissenschaftler hielt sich in seinen Arbeiten stets auf Distanz zum akademischen Betrieb und bevorzugte das imaginative wie künstlerische Verfahren. Wie viele seiner Generation war er zudem vom Geist der 68er beseelt: Raus aus der Enge der spießigen Nachkriegsgesellschaft Deutschlands, hinaus in die weite Welt! Oppitz umgab sich in den Kölner Jahren mit Künstlern wie Sigmar Polke, Isa Genzken oder Joseph Beuys. Diese teilten wiederum sein Interesse an mythischen Themen. Mit Lothar Baumgarten (*1944) kooperierte Michael Oppitz in mehreren Projekten: So gaben sie etwa gemeinsam bei der Düsseldorfer Galerie Konrad Fischer ein Künstlerbuch heraus, das zum Bestand der Kolumba-Sammlung gehört und der eigentliche Anstoß für diese Sonderschau war. | Die meist thematisch strukturierte Präsentation bietet Einblicke in Tage- und Notizbücher sowie in die zahlreichen Publikationen von Michael Oppitz. Die Ritualpraxis, die Berufung sowie Initiation von Schamanen und die mündlich tradierte Mythologie der Magar illustrieren Exponate und Dokumentationen. Eine gemeinsame künstlerische Intervention von Oppitz und Baumgarten veranschaulicht etwa die von beiden für diese Ausstellung installierte Wandarbeit aus 50 mit Volksbezeichnungen beschrifteten Adlerfedern – unter dem Titel Section 125 – 25 64 – 58 – Hommage à M. B. (1972 – 74). | Doch sei dem Besucher unbedingt ans Herz gelegt, vor dem Abschreiten der gerade beschriebenen Ausstellung eine Etage tiefer in dem traditionell für klerikale Preziosa vorbehaltenen, verdunkelten Raum den von Oppitz zwischen 1978 und 1980 gedrehten Dokumentarfilm Schamanen im Blinden Land anzuschauen. Er führt die Genesis des Schamanentums, vielmehr deren Reinkarnationssystem in einem Himalayadörfchen in Nordwest-Nepal auf enorm eindringliche Weise vor Augen – mit Geistheilungsséancen gegen Hexen, Initiationsritualen, Riten zur Geburt sowie zu Bestattungen. Die häufig im Kreis der Dorfgemeinschaft begangenen Rituale beeindrucken ebenso wie die ruhigen Kamerafahrten durch die beeindruckende Gebirgswelt. Nur sollte der Besucher Zeit mitbringen, denn der Film dauert fast vier Stunden. Nach seiner Uraufführung in New York 1980 jedenfalls fand Schamanen im Blinden Land großen Anklang auf den Internationalen Filmfestspielen in Berlin. Joseph Beuys, der bekanntlich die Pose des Schamanen benutzte, hatte den Rohschnitt des Filmes gesehen und zu Michael Oppitz gesagt: „Die haben mir alles geklaut.“ Und dieser erfuhr bei seinem erneuten Besuch im Himalaya vor sechs Jahren, dass sich die von ihm gefilmten Kulturen von der maoistischen Unterdrückung jeglicher Religionsausübung nicht mehr erholen konnten. | Die anthropologische wie globale Fragestellung der Sonderschau im Kolumba – das sei am Ende doch noch betont – gehört zur Ausstellungspraxis des Museums – nicht zuletzt auch die Verquickung von Religion und Mystik in der Kunst – wie etwa im Oeuvre des US Künstlers Paul Thek, von dem das Haus weltweit die imfangreichste Sammlung besitzt. (Uta M. Reindl, Kunstforum International, Bd. 256, September – Oktober 2018)

»Wäre die Ausstellung in einer Barockvilla oder in einem mittelalterlichen Museumsbau zu sehen, hätte sie längst nicht die Wirkung wie in Peter Zumthors Architektur. Denn das vor sieben Jahren von dem Schweizer Architekten vollendete Kolumba-Kunstmuseum, das die spätgotische Kirchenruine St. Kolumba geradezu körperhaft umhüllt, hat tatsächlich etwas von einem Schrein, der den Schatz in seinem Inneren verbirgt, gleichzeitig auf ihn neugierig macht – durch eine diskrete wie sinnliche, stets die Wachheit des Betrachters fordernde Raumchoreographie. Sehr passend ist somit der Titel "zeigen verbergen verhüllen. Schrein" für die aktuelle und siebte Neupräsentation von alter und junger, von sakraler und profaner Kunst sowie von Kunsthandwerk aus den Beständen der in Kolumba beheimateten Diözesansammlung, angereichert durch Leihgaben aus hausexterner Kollektionen. Ein veralteter, verrotteter Sicherheitsschrank, die Arbeit des Düsseldorfer Künstlers Felix Droese von 1986, stellt sich dem Besucher in den Weg, wenn er durch das Foyer zum Ausstellungsareal im ersten Stock gelangen möchte. Ein treffliches Sinnbild für die globale Finanzwelt. Und oben, direkt neben der Treppe, steht ein schokoladenbrauner Metallkasten, der ein föhnartiges Brausen verhüllt – ohne Titel (1988) von dem Wahlberliner Thomas Rentmeister. Wer denkt da nicht auch an Flüchtlingscontainer? Einige Schritte weiter inszeniert sich in acht Vitrinen all das, was im Kunsthandwerk und in der Kunst in irgendeiner Weise zeigt, verbirgt oder verhüllt: Minnekästchen aus dem 16. Jahrhundert, Reliquienbehälter, jede Menge Boxen, Schachteln, Hüllen und Kartons für Schreibmaschinen, Kameras oder gar Rasierapparate. Dazwischen dann Katalogkassetten von Carl André, Piero Manzoni oder auch Daniel Buren. Dem teilweise witzigen Wunderkammerarrangement hinter Glas schließt sich auf einem Podest im nächsten Raum die Ansammlung von Truhen an – für Grammophone, Röhrenempfänger oder Telexgeräte, alles vor einer mächtigen Archivtruhe aus dem Mittelalter luftig installiert. Von hier aus fällt der Blick in die verdunkelte Schatzkammer – und dort auf den faszinierend schlichten Bischofstab des heiligen Annos mit Elfenbeingriff. Er stammt aus dem Kirchenschatz von Sankt Servatius in Siegburg, der gleich mit mehreren Schreinen, mit kostbaren Geweben aus Byzanz oder Persien in der aktuellen Ausstellung zu Gast ist.
Die kostbaren Schreine finden sich aber erst im höchsten Geschoss, wo das Zeigen, Verbergen, Verhüllen freier, an manchen Stellen auch sehr gelungen variiert wird. So etwa wenn die abstrakten Gemälde von Hermann Abrell, Raimund Girke und das fast figurative Andachtsbild von Alexej von Jawlensky die Alabaster-Muttergottes vom Marienaltar in St. Kolumba geradezu einzukreisen scheinen. Abrells lineare Strukturen auf Leinwand überlagern Tiefen, Girkes Farbgestus schafft Bildräume und Jawlenskis „Große Meditation“ lässt ein mit wenigen Pinselstrichen gemaltes Gesicht und ein Kreuz miteinander verschmelzen. Vier Schreine aus der erwähnten Siegburger Kirchengemeinde sind großzügig im zentralen Raum installiert, in dieser Konstellation und an diesem Ort fraglos eine beeindruckende Darbietung von mittelalterlicher Goldschmiedekunst. Die motivliche Klammer vom Anno-Schrein, der als Vorläufer des Dreikönigsschreins im Kölner Dom gilt, zu dem wohl bedeutendsten Raum im Hause, ist in mehrfacher Hinsicht naheliegend. Dort gibt es nicht nur einen überraschenden Domblick, sondern man teilt ihn so quasi mit Stefan Lochners Madonna mit dem Veilchen, weil das Gemälde praktisch zur Domseite ausgerichtet hängt. Bekanntlich befindet sich im Dom der Dreikönigsschrein und Stefan Lochners berühmter Dreikönigsaltar. Vor dem Fenster gegenüber der Lochner-Madonna ist zeitgenössische Kunst installiert: auf Papier und Leinwand gefertigte „unsichtbare“ Gemälde auf vier Tischen großzügig verteilt. Bruno Jakobs Intervention Happy Nothing: Still Collecting (Lemon Yellow) von 1990/98 umfasst 31 anscheinend leere Blätter verschiedenen Formats, die natürlichen Einflüssen ausgesetzt wurden, von Tränen oder Schweiß benetzt, von Staub oder Erde zart beschichtet und Geräuschen oder gar dem Tod ausgesetzt worden sein mochten. Jakobs subtile Arbeit, die sich der Ästhetik der Unsichtbarkeit widmet, dialogisiert ausgezeichnet mit dem Gemälde Lochners, mit der Zartheit dort gemalter Gewebe beispielsweise. Der in New York und im Schweizerischen Aarberg lebende Künstler, der seine weißen Bilder eher als konkrete wie offene Form des Geschehens begreift, führte während der Ausstellung die Radikalität seiner malerischen Position in einer Performance vor, wovon auch diverse Utensilien im Ausstellungskontext zeugen. Eine moderne Form der Radikalität übrigens repräsentiert das Schaffen des Amerikaners Frederic Matys Thursz, eine der bedeutendsten Positionen in der seit 1990 angelegten Sammlung des Diözesanmuseums beziehungsweise des Kolumbamuseums. In dieser Hängung überrascht das Gemälde von 1972, das nach Mark Rothkos Selbstmord entstand und sehr an Rothkos Malweise erinnert. Es darf als Hommage an ein Vorbild gesehen werden, zugleich als ein Schlüsselwerk für die radikal autonome Schichtenmalerei des 1992 verstorbenen Matys Thursz.
Ein weiterer Höhepunkt der Ausstellung ist das Miteinander von Max Coles Gemälden und dem grundsätzlich gelungen platzierten Elfenbeinkruzifixes aus dem 12. Jahrhundert in der Nähe der hohen Westfenster. Ähnlich wie Abrell arbeitet die in Kalifornien lebende Max Cole mit Linien, doch diese verlaufen horizontal, bauen in unterschiedlicher Dichte und Materialität auf dem Bildgrund auf und sind aus der Hand gezogen. Weitere Gemälde der US Amerikanerin gab es im Übrigen parallel zur Kolumba-Ausstellung in der Kunststation Sankt Peter unter dem Titel Max Cole. Meditations zu sehen.
Zeigen verbergen verhüllen. Schrein wurde wie alle anderen Ausstellungen von einem Kuratorenteam in Zusammenarbeit mit Stefan Kraus, dem Direktor des Hauses, zwei Wochen lang aus den Sammlungsbeständen herausgearbeitet und macht einmal mehr deutlich, weshalb das Kolumba längst schon die Auszeichnung als Museum des Jahres verdient hat, wie es ihn 2013 nun von der AICA (Association Internationale des Critiques d’Art) erhielt. Denn es zeichnet sich, so die Laudation von Danièle Perrier „durch ein stringentes Ausstellungskonzept, das Hand in Hand mit der Sammlung geht und Künstler vorstellt, die an der Peripherie des Medieninteresses liegen.“ Es sei „auf Beschaulichkeit und Wahrnehmung gerichtet, auf die Erziehung zur Langsamkeit des Sehens – wahrlich ein Museum gegen die Hektik der Zeit, in diesem Sinne ein Museum gegen den Strich.« (Uta M. Reindl, zeigen verbergen verhüllen. Schrein & Special Guests, in: Kunstforum International, Bd.225, März-April 2014, S.288-289)

»Das Kolumba ist kein White Cube. Als der Neubau des Erzbischöflichen Diözesanmusems Köln 2007 in Betrieb ging, war klar, dass das Ausstellen hier höchste Ansprüche an die Inszenierungskunst der Kuratoren stellen würde. 22 Räume, die unterschiedlicher kaum sein könnten: Klein, eng und schmal oder fast quadratisch und turmhoch; verwinkelt, dramatisch beleuchtet, in schummrigem Dämmerlicht oder lichtdurchflutet. Dazu kommt die starke Eigenpräsenz der Materialien. Durch die Haupträume spannt sich ein gleißend polierter, fast weißer Terrazzoboden, auf dem die Besucher wie auf Wasser zu wandeln scheinen. In den Nebenräumen sind die Böden aus graustumpfem, empfindlichem Mörtel. Ihre taktilen Oberflächen konkurrieren mit den Wänden, die ihre warme Ausstrahlung wiederum einem naturfarbenen, mit Quarzsand versetzten Lehmputz verdanken. Bei der Beschreibung all dieser Qualitäten wird einem Bange um die Kunst. Kann sie gegen soviel Sensibilität überhaupt mithalten? Peter Zumthors Musentempel bietet keinen großen Toleranzspielraum. Bei den jährlich wechselnden Sammlungspräsentationen gelangen zwar immer wieder wunderbare Situationen, aber ebenso hoch war die Fallhöhe, wenn der Dialog misslang. Diesen Dialog zwischen dem Raum, dem Betrachter als dem eigentlichen Hauptakteur und dem Kunstwerk anzuregen, darauf laufen die ganzen Anstrengungen hinaus. Von Anfang an war es der Diskurs, der innere und der nach außen getragene, der hinter der Idee eines „Museums der Nachdenklichkeit“ steckte. Ein Diskurs, der sich an der Kunst entzündet. Dieser Überzeugung sind all die Maßnahmen geschuldet, die Kolumbas Sonderstellung in der Museumslandschaft ausmachen, bis hin zum Verzicht auf eine Beschriftung der Exponate, um dem Betrachter den eigenen Zugang zum Werk offen zu halten. Insofern unterscheidet sich „denken“, das Motto der gerade eröffneten, fünften Neuordnung der Sammlungspräsentation, kaum von der grundsätzlichen Konzeption des Museums. Das Denken gehört zum Diskurs. Vielleicht liegt es an dieser Vertrautheit, dass die Präsentation diesmal so ausgesprochen stimmig und anregend geraten ist. Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass das Team um Museumsleiter Stefan Kraus inzwischen sein Museum im Griff hat. Auf den Spuren vielfältigster künstlerischer Denkformen eröffnet „denken – eine Ausstellung über Wege, die Welt zu erfahren“ einen Parcours, der mit wunderbarer Leichtigkeit zwischen den historischen Schätzen kirchlicher und privater Andacht und der zeitgenössischen Kunst, zwischen Bildern, Skulpturen, Design, Film und immer wieder dem Buch als konzepttragendem Medium Beziehungen herstellt. Keine verkrampfte Didaktik wie bei der dritten Jahresaustellung „Hinterlassenschaft“ 2009 mit ihrer überinszenierten Aufgeregtheit, kein Totschlagen sensibler Malerei durch goldenes Kirchengerät wie es Rudolf de Crignis´ blauen Bildern in der Eröffnungsausstellung 2007 widerfuhr. Die Dinge haben ihren Platz gefunden zusammen mit den Kuratoren, die sich offenbar von der einschüchternden Autorität des Architekten befreit haben und auf Augenhöhe in ihrem Haus angekommen sind. Wen wunderts, dass auch die Architektur von der souveränen Bespielung profitiert und als Bühne für diesen Auftritt kaum überzeugender dastehen könnte. Das schließt Reibungen und offene Fragestellungen nicht aus. Kaum etwas regt weniger zum Denken an als das Vorhersehbare. Unerwartete Perspektiven und Einsichten gehören zum Programm, seit Joachim M. Plotzek, der 1990 das auf sakrale Kunst spezialisierte Erzbischöfliche Diözesanmuseums übernommen hat. Das zeigt sich nicht nur in der immer wieder erprobten Gegenüberstellung von Alt und Neu, sondern fängt beim Ankauf neuer Werke an. Die Sammlungstätigkeit abseits der gängigen Trends setzt jahrelange Beobachtung voraus, ein langsam wachsendes, näheres Kennenlernen, bis man sich schließlich für einen Ankauf eines repräsentativen Konvoluts entscheidet. Dass bei einer solchen, auf der persönlichen Begegnung basierenden Ankaufspolitik der Anteil der Künstler aus Köln nicht unerheblich ist, liegt auf der Hand und macht das Museum zu einem der wichtigsten Förderer des Kunststandorts Köln. Hinzu kommen verschiedene hochkarätige Sammlungen, die teils als Schenkungen, teils mit Unterstützung öffentlicher und privater Stiftungen den Bestand bereichern. So bildet diesmal die Schenkung von Edith und Steffen Missmahl das Herzstück der Jahresausstellung. Ihre Sammlung ist auf Künstlerbücher spezialisiert und umfasst 954 Werke. Etwa ein Zehntel davon wird auf einem 15 m langen Büchertisch präsentiert, der im Lesezimmer beginnt und sich quasi durch die Wand hindurch im benachbarten Ausstellungsraum fortsetzt. Steffen Missmahl, der aus der angewandten Grafik kommt und schon von Berufs wegen mit vielen Künstlern zu tun hat, sammelt seit den Anfängen des Künstlerbuchs in den 60er Jahren in der Gefolgschaft von Fluxus und Konzeptkunst. Keine geringe Rolle spielt dabei die Kunstbuchhandlung Walther König, die 1969 in Köln eröffnet wurde. Für Missmahl beherbergen diese meist in sehr kleinen Auflagen herausgegebenen Editionen autonome Kunstwelten: „Im Idealfall ist das Buch bespielt wie eine gute Ausstellung“, sagt er dazu im „Tischgespräch“ mit Stefan Kraus und Marc Steinmann. Statt von einem Ausstellungskatalog, der den vielen Positionen kaum gerecht werden könnte, werden die Jahresausstellungen von Werkbüchern begleitet. Zu „denken“ erscheint eine schwergewichtige Aufbereitung der Sammlung Missmahl einschließlich Inventar und Register. Sie ergänzt die starre Präsentation unter Glas um vertiefende Einblicke in diesen speziellen Kosmos. Ganz im Sinne von Duchamps „La Boîte-en-valise“ macht das Künstlerbuch als „Museum für die Tasche“ fast alles mit. Es lässt sich von Georg Herold in ein extrem schmales und hohes „Brettformat“ zwingen, dessen bunt gemischtes Bilder-Inventar mit der Frage „Warum und zu welchem Ende studiert man Kulturgeschichte?“ überschrieben ist (1994), oder von On Kawara in einen Zeitspeicher von „One Million Years“ in Form akribischer Datenkolonnen verwandeln (1999). Wie Geschichten unter den Händen Haken schlagen, erlebt man in der Ausstellung auf verschiedene Weise. In einer Raumecke führt ein Film unter dem Titel „Zeichnen“ den kreativen Prozess am Beispiel der Zeichnerin Monika Bartholomé vor. Die Kamera ist sehr nahe an das Blatt gerückt, so dass vor allem die zeichnende rechte Hand zu sehen ist. Die Hand zieht die Linien ganz ruhig und bestimmt; es wird klar, dass die Bewegungsabläufe durch jahrzehntelange Übung eingespielt sind und sich fast wie von selbst vollziehen. Die traumwandlerische Sicherheit ist Bedingung für ein intuitives Arbeiten, aber in ihr steckt auch die Gefahr der sich selbst wiederholenden Virtuosität. Bartholomés 12-teilige Zeichnungsserie „In der Akademie“ (1992) thematisiert diese Gradwanderung des immer wieder neue Bilder „ausspuckenden“ Bleistifts an der Variation eines Themas. Die Blätter teilen sich das schlauchartige Zeichnungskabinett mit feinen akademischen Übungen von Franz Ittenbach (1831-33), formalen Kapriolen mit Hühnern und Kühen von Thomas Rentmeister (1984-2010) sowie 60 Werkzeichnungen aus dem 189-seitigen Konvolut zur Steinzeitgeometrie von Rune Mields (1980-82). Sie ergänzen sechs große Leinwände aus demselben Zyklus, deren majestätischer Auftritt in der Tat den Eindruck einer Erscheinung aus einer anderen Zeit erweckt. Von diesen schwarzen und ernsten Bildern geht eine starke spirituelle Kraft aus. Die Beschäftigung mit „rationalen Formeln der Frühzeit“, wie Rune Mields es nennt, hat sich in komplexe Zeichenstrukturen suggestiver Irrationalität verwandelt. Wenn man so will, kann man sie als Antwort auf Bernhard Johannes Blumes kleine, 5-teilige Fotoarbeit „Die reine Vernunft ist als reine Vernunft ungenießbar“ von 1981 lesen, die betont beiläufig an der Startposition des Parcours wie ein Grußwort montiert ist. Darauf ist zu sehen, wie der Künstler versucht, sich ein Stück Vernunft in Form eines kleinen Quaders irgendwie einzuverleiben. Auch diese Fotoarbeit ist schwarzweiß. Ob das Denken eher in bildnerischen Reflexionen aufzuspüren ist, die der Grafik verwandt sind? Insgesamt bleibt der Einsatz von Farbe sparsam. Das ist ein auffälliger Gegensatz zum opulenten Aufgebot an Farbmalerei der letztjährigen Präsentation „Noli me tangere!“, die sich dem Körper zuwandte. Mit dem Denken geraten statt dessen geometrische Ordnungssysteme ins Blickfeld, die sich untereinander zu einem Wechselspiel sinnstiftender und ordnender Strukturen über die Jahrhunderte hinweg verbinden. Ein schönes Beispiel dazu ist der Raum 8: Die Kreisformen des Schmuckfußbodens mit Kosmosbild aus Oberpleis (1220/30) finden ihren Widerhall in den ornamental-gerundeten Gewandfalten der beiden romanischen Andachtsbilder, der Pingsdorfer Muttergottes und dem Kruzifix aus Erp, um über die kreisenden Fußspuren aus Antoni Tápies´ „Spuren auf weißem Grund“ (1965) in eine moderne Reflexion der Existenz adaptiert zu werden. Von dort geht es durch einen engen Treppenschacht wie durch eine Lichtschleuse hinauf in die zweite Etage. Zumthor hat an dieser Stelle einen starken Kontrast in den Museumsrundgang eingebaut: Man ist fast geblendet, wenn man aus dem introvertierten Dämmer der ersten Etage in diese Helligkeit eintritt. Aber die eigentliche Sensation erwartet den Besucher hier mit Jeremias Geisselbrunns Muttergottes mit Kind. Die barocke, auf das Jahr 1650 datierte Alabasterfigur stammt vom Marienaltar der im Krieg zerstörten Kirche St. Kolumba und war in tausend Stücke zerschlagen. In detektivischer Kleinstarbeit wurde sie wieder zusammengesetzt. Es gehört zum Geheimnis des Fragmentarischen, dass die Beschädigungen ihre Schönheit nicht gemindert haben. Im Gegenteil. Die dunklen, durch Feuer und Rauch verursachten Verfärbungen des Alabasters erhöhen noch den Reiz der lebhaft bewegten Formen. Wie einige andere Schlüsselwerke der Sammlung hat sie von Anfang an einen festen Platz in Kolumba eingenommen und bleibt von den jährlichen Wechseln unbehelligt. Sie ist der Fixstern in Raum 10, der als Wechselausstellungsraum genutzt und mehrmals im Jahr umgehängt wird. Zur Zeit hat Birgit Antoni, die auch in der Sammlung Missmahl mit ihrem Buch „Sternschleuder“ von 2005 vertreten ist, das Glück, mit vier großen Leinwänden aus den Jahren 1996/97 der Madonna Gesellschaft zu leisten. Tatsächlich scheinen sich die Bilder und die Barockfigur zu mögen: Auch hier sind es die sowohl in den Bildern als auch in der Skulptur angelegten Formen der Bewegung sowie die miteinander harmonierende Farbigkeit, die unter den Werken Verbindungen herstellen. Antonis Arbeit basiert auf dem Prinzip, aus der Diskrepanz zwischen der selbstauferlegten Beschränkung der Ausgangssituation und dem stupenden Reichtum der Ergebnisse, den Fokus auf die unendliche Bandbreite der freien Entscheidungsmöglichkeiten zu richten, und damit auf die Freiheit selbst. Sie beginnt immer damit, die Leinwand mit einer Struktur aus sich überschneidenden, aus der Hand gezogenen Kreisen zu überziehen. Je nachdem, wie sich die amorphen Binnenflächen der Kreissegmente durch eine einheitliche Farbe zusammenziehen oder farblich trennen, bilden sich unterschiedliche Räumlichkeiten. Gerade bei der Gruppe in Raum 10 lässt sich das Kippen der Farbbotschaft gut nachverfolgen: Alle drei Arbeiten (eine davon ist zweiteilig) tragen mehr oder weniger die gleichen Farben, ein helles Blau, ein Olivgrün und einen sandigen Ton; dazu kommt in zwei Fällen Schwarz. Dennoch sind sie vom Charakter völlig unterschiedlich, was sich auch in den Titeln ausdrückt. „Jungle“ ist ein Vorhang aus vegetativen Girlanden, in denen das helle Blau unweigerlich an schimmernde Wassertropfen erinnert. „Pogo“ wirkt dagegen sehr edel und elegant, wie kostbare Intarsienarbiet, während „zweiteilig abgedreht“ sich von figürlichen Reminiszenzen ganz lossagt und als reine Abstraktion musikalischer oder piktoraler Systeme erscheint. Künstler forschen im eigenen Auftrag, kommen aufgrund ihrer radikalen Subjektivität zu authentischen Antworten mit gesellschaftlicher Relevanz. Mit der 1942 in Chicago geborenen Victoria Bell präsentiert die Ausstellung nicht nur eine der wichtigsten zeitgenössischen Bildhauerinnen, sondern auch eine Position, die sich diesem Forschergeist mit besonderer Intensität verschrieben hat. Für Bell ist die Verbindung von Kunst und Wissenschaft ebenso selbstverständlich wie die Wesensverwandtschaft von Natur und Technik. Eine kleine Auswahl ihrer Zeichnungen aus den Jahren 1979-2005 zeigt dies eindrücklich. Die Bleistiftzeichnungen lassen sich manchmal von Konstruktionszeichnungen nicht unterscheiden und tragen Titel wie „Using a model for unconnected slides of 3D space in a 4D space sordan“. Der Höhepunkt ihres Auftritts und gleichzeitig einer der Höhepunkte der Ausstellung findet aber in einem der fünfeinhalb Meter hohen Turmzimmer statt: Die „Fliegende Lokomotive“ aus dem Jahr 2005 thront in diesem Raum, als ob er für sie gemacht sei. Die mächtige Konstruktion aus rotem Zedernholz und Stahl erinnert tatsächlich an eine altmodische Lokomotive und zugleich an H. G. Wells´ Zeitmaschine. Victoria Bell, deren umfangreiche Retrospektive im Rheinischen Landesmuseum in Bonn soeben zu Ende gegangen ist, entwickelt ihre kosmologischen Visionen am Maßstab des Humanen und Selbstbestimmten. Man traut es der „Fliegenden Lokomotive“ durchaus zu, jederzeit aus freien Stücken den Ostturm wieder verlassen zu können. Bis dahin leistet ihr ein sehr zurückhaltendes und poetisches Werk von Konrad Klapheck Gesellschaft. Sein „Kleines Liebesglück“ von 1959 gehört zu einer Serie, in der er sich mit Fahrradklingeln befasst hat. Trotz seiner bescheidenen Maße scheint es mit der „Fliegenden Lokomotive“ auf einer magischen Ebene verwandt. Kaum zu glauben, dass es aus demselben Jahr und vom selben Künstler stammt wie das monumentale „Der Wille zur Macht“ in Raum 12. Offenbar werden in den beiden Arbeiten gegensätzliche Daseinsformen ausgedrückt: hier das spielerische Liebesglück, dort ein gefühlloser, harter und menschenverachtender Machtanspruch, der sich in einer Schreibmaschine „personifiziert“. Mit dieser eindeutig negativen Konnotation haben die 45 Schreibmaschinen aus der Schenkung Werner Schriefers nichts gemein. Wie auf dem Präsentierteller sind sie auf einem nierenförmigen, mit dunkelgrünem Linoleum bezogenen Podest aufgebaut. Die formschönen Gegenstände des täglichen Gebrauchs aus der Sammlung Werner Schriefers haben in den Jahresausstellungen einen festen Platz. Natürlich gehören zu einem Diözesanmuseum auch Handschriften und gedruckte Bücher aus der Zeit vor dem Maschinenzeitalter. Um ein besonders seltenes Exemplar aus der Frühzeit des Buchdrucks handelt es sich bei der „Ars memorandi“, die um 1470 entstanden sein soll und über die Sammlung Renate König in den Besitz von Kolumba gelangte. Neben dem reichen Konvolut mittelalterlicher Kunstschätze aus der Schenkung Renate König bilden umfangreiche Werkkomplexe des Künstlers und Komponisten John Cage einen weiteren Schwerpunkt. Bei der aus Abfallkupferplatten aufgebauten Radierfolge „On the Surface“ (1980-82) handelt es sich um hochsensible Farbradierungen, die nur als Einer-Auflage gedruckt wurden und mitsamt den vorbereitenden und begleitenden Notationen in den Besitz des Museums gelangten. Die 35 Blätter folgen einer Mischung aus Zufallsprinzip und Kalkül und geben den in ihrer Mitte wie aufgebahrt gelagerten, gotischen Fragmenten aus St. Kolumba einen horizonterweiternden, zeitlosen Rahmen. Während bei Cage Kontemplation und Dauer als Voraussetzung des Denkens begriffen werden, geht es in der expressiven Malerei-Installation im großen Hauptraum wohl eher um intuitive Erfahrungs- und Erlebnisräume, in denen die an Vernunft gebundene Sprache versagt. Bei dem 6teiligen Zyklus „In der Leere ist ist nichts“ (1998) von Dieter Krieg handelt es sich um eine sehr krafvolle, sich an der Widerständigkeit der Materie abarbeitenden Setzung. Die sechs Worte mit der irritierenden Verdoppelung des „ist“ sind in groben Schriftzügen auf die sechs monumentalen Werke verteilt. Sie sind aber nicht direkt in die farbverkrusteten Oberflächen eingebettet, sondern auf applizierten Acrylglasscheiben abgelegt. Die sperrigen Projektionsflächen wirken wie mit Gewalt der Malerei „aufs Auge gedrückt“. Der Widerstreit zwischen bildlicher und kognitiver Vernunft lässt sich kaum zwingender darstellen. Beide Bereiche werden durch die fragilen Glasscheiben getrennt und verbunden. Dieter Krieg, der fast 25 Jahre lang Professor an der Düsseldorfer Akademie war, betreibt hier eine bildsprengende Synthese von Realität und Bildrealität, Bild und Schrift, Zeichen und Körper. Rundum über die Wände des zentralen Ausstellungsraumes verteilt, vollzieht sich diese Auseinandersetzung wieder in der bekannten, rotierenden Bewegung. Eine Zeitspirale mit dem Betrachter im Zentrum. Immer wieder ist es diese kreisende Bewegung, die dem Denken immanent zu sein scheint und fatal an Picabias Aphorismus „Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann“ erinnert. Die Kuratoren der Ausstellung werden dem nur beipflichten können. Zur Ausstellung sind zwei Publikation erschienen: denken – Künstlerbücher der Sammlung Missmahl, Hg. von Stefan Kraus, Katharina Winnekes, Ulrike Surmann, Marc Steinmann unter Mitarbeit von Eva-Maria Klother und Steffen Missmahl, 336 Seiten, über 600 Farbabbildungen, Textcollage über Bücher, Inventar, Register, Hardcover mit Schutzumschlag, Köln 2011, € 35,-. Anja Becker-Chouati, Ars memorandi. Die Kunst des Erinnerns, Sammlung Renate König VII, Reihe »Kolumba« (Bd. 36), Köln 2011, 64 Seiten, 33 farbige Abb., Text und Glossar in Deutsch, Englisch und Französisch, broschiert. € 16,-« (Sabine Elsa Müller, denken. Eine Ausstellung über Wege, die Welt zu erfahren, in: Kunstforum International, Bd.212, S.296ff.)

»Hier gibt es ein Museum, das die Sinnfrage von Kunst auf seine Weise stellt und durch einen angelegentlichen Dialog über die Grenzen der Kunstgeschichte hinaus beatmet. Der Neubau mit all' seinen exponierten Setzungen verleiht dem einen besonderen Nachdruck. ... Der Bau selbst, dem die Kardinalspredigt eine zusätzliche Öffentlichkeit bescherte, ist ein Monument der Versöhnung, die sich nicht anbiedert. Zumthor hat auftragsgemäß einen erweiterten sakralen Raum geschaffen. Die Ausgrabungen wurden umbaut, es entstand eine hohe Halle, die durch das Band des 'Filtermauerwerks' das Außenklima erhält. In die seltsame Halle mit ihrem tagtäglichen Halbdunkel ragt Gottfried Böhms Nachkriegskapelle wie ein exterritoriales Ausstellungsstück mit eigenem Innenleben. Über den freigelegten Grundrissen der mehr als 1000jährigen Kolumbageschichte legt der Architekt einen gezackten Steg in die Sakristei, die wiederum als Ruine belassen wurde und unter freiem Himmel Richard Serras 'The Drowned and the Saved' (1992/97) beherbergt. Dieses Museum hat keine Cafeteria aber einen Garten mit 11 Bäumen, wo früher der Kirchhof war, und es gibt ein 'Lesezimmer'. ... Trotzdem ist das ein Haus, das erobert werden will. Es gibt hier keinen white cube, Lieblingsfarbe: Grau! Zumthor dramatisiert das Hell-Dunkel, er geizt mit dem Tageslicht, im schmalen, ersten Obergeschoss gibt es kein einziges Fenster, man ist versucht von einem 'Zwischengeschoss' zu sprechen, denn erst das natürliche Licht adelt. Der wirkungsvolle Blick nach draußen in die Umgebung, etwa auf den nahe gelegenen Dom ist sorgsam proportionierte Sensation, die nur von einigen Räumen des Obergeschosses genossen werden kann. Ein demokratisches Lichtwunder, wie es für das Kunsthaus Bregenz erfunden wurde, findet nicht statt. Bauherr ist schließlich die katholische Kirche, und Zumthor fängt jedes Mal von vorne an. Für einige turmartige Zimmer hat er hohe Oberlichter konstruiert, die durch ihre zinnenartige Erscheinung dem Bau von außen wiederum etwas Wehrhaftes verleihen. Kolumba ist eine Festung, die aus alten Kirchenmauern herauswächst und durch die flachen grauen Ziegel fast ein wenig trotzig den Anspruch auf handwerkliche Solidität formuliert. Manch eine hübsche Zweckarchitektur aus den 70er Jahren in der näheren Umgebung von Kolumba, sieht jetzt ganz schön alt aus." Ein unangepasstes Haus für eine andere Sammlung! Das Team tritt immer im Kollektiv auf: Plotzek, Winnekes, Kraus, Surmann & Steinmann. Über dem entgrenzten Dialog findet ein anderes Schauen statt. Sakrale Exaltation wird oft genug durch 'stille' Bilder abgefedert. Jeremias Geisselbrunns Muttergottes mit Kind vom Marienaltar in St. Kolumba (1650) wird durch das Weiß von Peter Tollens (Gemälde 392/2001) aufgefangen. Zwei Arbeiten von Georg Baumgarten aus den 20er Jahren bilden die expressiven Figuranten. Solche Berührungen gibt es immer wieder. … Kolumba feiert Kunst in einer aufgehobenen, spirituellen Zeit! Die (alle) Werke sind hier nicht mehr das, was sie vorher waren. … Man wird dieses Haus mit seinen unkonventionellen Öffnungszeiten (täglich außer dienstags 12 bis 17 Uhr) öfter besuchen müssen.« (Reinhard Ermen, Ein Sakralbau in den Dimensionen eines Museums, in: Kunstforum International, 1/2008, S.343-344)

»Das Kunststück dieser Ausstellungsidee ist, daß es trotz der exakten Zielsetzung kein starres Raster gibt. Zugrunde liegt kein Konzept, dem die Kunst pauschal zu folgen hat, sondern eines, das jedem einzelnen Werk seinen Atem läßt. Es wird durch Nachbarschaften gestärkt – sowohl in seiner formalen Präsenz als auch in seiner inhaltlichen Aussage. Und sogar der Zufall darf eine Rolle spielen. Kreativität wird als Prinzip der Freiheit erkennbar.… Und die Zeitgenossenschaft aller Äußerungen – künstlerischer, handwerklicher, rezeptiver, kreativer – ist das Credo dieser Ausstellung, die Maxime des Kölner Diözesanmuseums, die der Baden-Badener Kurator Dirk Teuber begeistert teilt. Erwähnenswert ist noch die einfühlsame Arbeit des restauratorischen Betreuers Bernhard Matthäi und seiner Mannschaft sowie der lesenwerte Katalog mit einer akutellen und sensiblen Fototdokumentation von Lothar Schnepf. Das Buch trägt die Handschrift des bewährten Kölner Teams – Katharina Winnekes und Stefan Kraus, als Moderne-Spezialisten, Ulrike Surmann als Mittelalter-Expertin und Joachim Plotzek als Chef mit sanfter Hand – sowie des in Baden-Baden verantwortlichen Dirk Teuber.« (Amine Haase, Gelungener Pobelauf. Das Diözesanmuseum Köln zu Gast in der Kunsthalle Baden-Baden, Kunstforum International 9/1998, S.400-402)
 
www.kolumba.de

KOLUMBA :: Kritiken :: Kunstforum International

»…Zu den begehrtesten Insider-Tipps in der Kölner Kunstwelt zählten die schrägen KPSW-Events dann nicht nur in den 80er Jahren, sondern über Jahrzente. Offenbar tun sie es posthum auch heute noch: Als „Ausstellung in der Ausstellung“ ist im Ostturm von Kolumba seit September eine faszinierende Präsentation aus dem KPSW-Kosmos zu sehen. Nicht nur als Leigabe: Ein Drittel der Exponate gehört zur Nachlass-Schenkung des Künstlers an das von ihm stets geschätzte Haus. So wird Klaus Peter Schnütger-Webs auch künftig in den Kolumba-Ausstellungen präsent sein und für produktive Verwirrung sorgen.
Den anarchischen Geist des Projekts kann man in der aktuellen Ausstellung anhand zahlreicher Exponate erleben. Institutionskritisch, gerne auch klamaukig waren viele der Inszenierungen, die meist in Kooperation mit den Videokünstlerinnen Maria Fedder, Bettina Gruber sowie dem Fotografen Wolfgang Vollmer entstanden. Mit Vollmer produzierte Tillmanns 1984 den umwerfenden Fotoband „Meisterwerke der Fotokunst“, mit einem Originalsplitter (!) der Plattenkamera von Klaus Peter Schnüttger-Webs: Hier posiert Tillmann als Darsteller in Foto-Persiflagen von etlichen Ikonen der modernen Fotokunst. Bettina Gruber, die Tochter von Kölns prominentem Foto-Experten und Kunstsammler Fritz Gruber, agierte in Tillmanns Museum offiziell als Vorsitzende des KPSW-Fördervereins, Maria Vedder als Hauptkustodin des virtuellen Ausstellungshauses.
Das KPSW sei, wie Direktor Ulrich Tillmann auf einer Vernissage in kunsthistorisch-bürokratischer Diktion einmal schlaumeierte, „nicht ein System der Ordnung, sondern ein System der Unordnung“. Wohl wahr, auch für Bettina Gruber: Sie habe immer „voller Freude“ mit Tillmann improvisiert, erzählt sie, nach der bewährten Devise „Wir machen das jetzt einfach!“ – selbst als sie für einen Super 8 Film ohne vorherige Proben gemeinsam mit Tillmann auftreten und einen Strip hinlegen sollte, ihm aber bald rat- und hilflos hinterherblickte, als dieser einfach mitten im Dreh und kommentarlos das Setting verließ. Der komische Streifen wird auch in Kolumba gezeigt…. (Uta M. Reindl, Die Subversion der Fiktion. Das Klaus Peter Schnüttger-Webs Museum brennt im Kolumba ein Feuerwerk an Kunst-Fakes ab Kunstforum International, Bd. *, S. *)

»Einen ganz anderen Beitrag zum vielfältig gefeierten Bauhausjubiläumsjahr 2019 hat das Kolumba nun vorgelegt – in einem wie immer sehenswerten Zusammenspiel von klerikaler und profaner Kunst, von Kunsthandwerk und Bildender Kunst sowie mit einem großen historischen Bogen von Mittelalter bis heute. „Aufbrüche“ überschreibt sich naheliegend die Schau im Nachklang zum Bauhausjubiläum, die punktuell die Jahre 1919, 1949 sowie 1969 veranschaulicht, vor allem erstmalig ausschließlich mit Exponaten aus der 30jährigen Kolumba-Sammlung. Die jeweils prägenden Aufbruchsgeschehnisse präsentieren sich mit einigen, wenn auch aufschlussreichen Schlänkern. Schließlich verlaufen Aufbrüche selten zielgerichtet, schon gar nicht geordnet! | Der Rundgang zur Bauhaus-Präsentation findet seinen Auftakt unter anderem in einem der Schlüsselwerke aus der Künstlergruppe „Junges Rheinland“, nämlich in Gert H. Wollheims Gemälde „Friesische Landschaft“ (1919), oder auch in einigen Designobjekten etwa vom Bauhaus-Wegbereiter Peter Behrens sowie von Bauhausdirektor Walter Gropius – in einer Säulenvitrine unweit davon. Das spätmittelalterliche Tafelbild „Jüngstes Gericht“ (um 1500) vom Meister der Ursula Legende illustriert sodann gewissermaßen religiöse Aufbrüche:
Neben Sockelvitrinen mit Kleinplastiken von Franz Wilhelm Seiwert dokumentiert sich das „Junge Rheinland“ mit seinen Gründungsmitgliedern Walter Ophey und Gert Wollheim sowie die 1912 für Köln bedeutsame internationale Sonderbundausstellung durch eine Fülle von Katalogen, Dokumenten, Schriftstücken in Tischvitrinen. So etwa zur „Neukölnischen Malerschule“ von 1919, die in den 1920er Jahren in die „Gruppe Progressiver Künstler“ mündete – mit Marta Hegemann, Angelika und Heinrich Hoerle oder Anton Räderscheidt. Zwischen all den Vitrinen steht der „Werkstuhl“ aus den 1930er Jahren von der in der Kolumba-Sammlung gut präsenten Schenkung Werner Schriefers. In diesem Areal befassen sich schließlich einige Grafiken ausdrucksstark mit dem Kriegsgrauen sowie dem wirtschaftspolitischen Chaos: Um das Arbeitslosenproblem geht es in dem kleinen Linolschnitt von Franz Wilhelm Seiwert mit der rhetorischen Frage „Proletarier erschlagen – wer fragt danach?“ (um 1924). Im kleinen Raum nebenan entfaltet sich ein sehr gelungener Dialog zwischen angewandter und freier Kunst. Zwischen Spritzdekor-Keramiken aus den 1920er, 30er Jahren und den Kreidezeichnungen Walter Opheys von 1920 bis 1927.
Die Ausstellung macht deutlich, wie kurzlebig doch Avantgardebewegungen in Köln waren, so etwa auch die der Dadaisten, die sich in der Domstadt weitgehend auf die Bildende Kunst konzentrierten – anders als die Künstler in den Dada-Zentren Zürich und Paris etwa. Das Bauhaus präsentiert sich sodann förmlich mit Pauken und Trompeten. Neben den wiederum reichhaltigen Tischvitrinen zur Gründungs- und Entwicklungsgeschichte des Bauhauses nämlich fokussieren einige die theatralischen wie musikalischen Auftritte der Bauhäusler. Letztere werden gar akustisch erfahrbar im Audio-Dokument mit Musikstücken sowie Erläuterungen von Andor Weininger, dessen zeichnerische und malerische Werke auch die Wände dieses Raumes dominieren. Er war, so ist der aufschlussreichen kleinen Ausstellungsbroschüre zu entnehmen, kein Bauhaus-Meister, dennoch eine prominente Figur in der Geschichte des Bauhauses. Einige seiner geometrisch-räumlichen Kompositionen kommen insbesondere farblich zu einem trefflichen Zusammenspiel mit den mittelalterlichen Kleinplastiken von Konrad Kuyn (um 1400). Im angrenzenden verdunkelten Raum 9, der edelsteinbesetzten Reliquiarien oder Kruzifixen vorbehalten ist, geht es um Kristalle und die gerne Glas verarbeitenden Bauhausarchitekten. Letzteres führt eine kleine Projektion etwa mit Bruno Tauts „Alpiner Architektur“ vor – ein wenig beengt in der Pracht all der funkelnden Kirchenschätze ringsum.
Im Treppenhaus zur zweiten Etage mag den einen oder anderen kurz der Eindruck von der bescheidenen Künstlerrinen-Präsenz in der Ausstellung beschleichen – angesichts der Bleistiftzeichnungen von Anna Blume „Die reine Empfindung“ (1993) mit entsprechenden Kandinsky- und Malewitisch-Zitaten. Gerade oben angekommen, schon richtet die Muttergottes mit Kind von Jeremias Geisselbrunn (um 1650) alle Aufmerksamkeit auf Kolumba in eigener Sache, denn die impressionante Alabaster-Skulptur war mit St. Kolumba im Zweiten Weltkrieg zerstört und Anfang der 1990er Jahren rekonstruiert worden. Unweit davon veranschaulichen dazu noch Tuschezeichnungen Georg Meistermanns von 1949 eindrücklich das zerstörte Köln. Das morderne Rheinland nach 1945 entfaltet sich schließlich hier in einer Tischvitrine unter anderem mit zwei leicht organisch gebogenen Holzkruzifixen: dem Ebenholz-Kruzifixus von Ewald Mataré (1937) und dem Handkreuz aus Buche von Joseph Beuys (1949). Im hinteren Bereich des Saals sollte der Besucher – aber erst nach der Betrachtung des Albinus-Schreines aus dem Jahr 1148 – nicht die legendären Kölner Schrein-Prozessionen durch die Trümmerlandschaft anlässlich des Domjubiläums versäumen, wie sie die Schwarz-Weiß-Fotografien von Karl Hugo Schmölz (1948) dokumentieren. Der Lederstuhl samt Koffer auf der Sitzfläche ganz in der Nähe übrigens, beides von dem Architekten und Gestalter Hans Schwippert (1948/48), ist natürlich auch ein Ausstellungsstück. | Der Gang hin zur zeitgenössischen Kunst schließlich führt so quasi durch die mythischen Berglandschaften des Himalayas (1978 – 1984), fotografiert von dem Filmemacher und Ethnologen Michael Oppitz, hin zu der nicht minder mythischen Ready-Made-Assemblage „Die Heiligen Drei Könige“ (1989) von Michael Buthe. Marek Poliks Klangpavillon „Interdictor 2017 – 2019“ und Bernhard Leitners Soloauftritt im Nordturm von Kolumba mögen den gattungsübergreifenden Schwerpunkt des Hauses illustrieren, das – durchaus im Sinne der Bauhaustradition – regelmäßig zu Konzerten mit Klangkunst, Moderner Musik und Performances einlädt. | Mit „1919 49 69ff. Aufbrüche“, so heißt es in der Pressemitteilung von Kolumba, wolle das Haus „erstmals den Versuch wagen“ mittels seiner Sammlung „historische Zeitabschnitte ästhetisch zu vermitteln“. Der Versuch hat sich absolut gelohnt, vor allem für Besucher, denen die gerne assoziative Narration und die Dichte der Ausstellung Vergnügen bereitet.« ((Uta M. Reindl, 1919 49 69ff. Aufbrüche, Kunstforum International, Bd.267, Mai 2020, S.262ff.)

»Während noch die Jahresausstellung „Pas de Deux“ mit Exponaten aus den Sammlungen zweier Kölner Institutionen (Kolumba / Römisch-Germanisches Museum) vielfältige Duett-Variationen von Kunst und Kunsthandwerk aus römischer, moderner sowie heutiger Zeit im ganzen Haus erlebbar machte, bot die Sonderausstellung im Kolumba Museum Tänze anderer Art. In der mit Bewegliche Mythen betitelten monografischen Schau von Michael Oppitz wird keineswegs artig zu zweit getanzt, dafür aber mit prächtigem Federschmuck gerne im Trancezustand, wie es die Fotoarrangements an der Wand oder in Vitrinen illustrieren. Die zum Ritual getragenen Ornate aus dicken Glocken und Ketten sowie andere, ähnlich üppig verzierte Objekte lassen sich auch dort bewundern. Nicht minder magisch mutet vor allem jene Installation der mit allerlei Artefakten dekorierten Trommeln aus Sibirien im Nebenraum an, als warteten alle 25 auf ihren nächsten Einsatz. Schamanen von kleinen Völkern des Himalaya, von „Kulturen an den Rändern der Schrift“ sind die Protagonisten von Bewegliche Mythen sowie das sich mit ihnen befassende Werk des Ethnologen und Filmemachers Michael Oppitz, der in Wissenschaft und Kunst gleichermaßen zuhause ist. Auf dem Rundgang tauchen immer wieder bekannte Künstlernamen auf: Marcel Broodhaers mit Dokumenten etwa von seiner Düsseldorfer Ausstellung Der Adler vom Oligozän bis Heute (1972). Lothar Baumgarten gemeinsam mit Oppitz, „im Dunst einer 10-Pfennig-Zigarre“ und in Kolonialherren- oder auch Dandypose im Botanischen Garten Berlins in einer Schwarz-Weiß-Aufnahme von 1972. Einige Schritte weiter tanzt der Ethnologe höchstpersönlich schamanengleich in den Farbaufnahmen Dance Cologne I, III, II (1973/2018) von Candida Höfer. Diesen Auftritt hält Michael Oppitz im Rückblick für geradezu „visionär“, weil er lange vor oder ohne irgendeine Vorstellung von seinen Feldforschungsideen Mitte der Sechzigerjahre stattgefunden habe. Der 1942 in Niederschlesien geborene Wissenschaftler hielt sich in seinen Arbeiten stets auf Distanz zum akademischen Betrieb und bevorzugte das imaginative wie künstlerische Verfahren. Wie viele seiner Generation war er zudem vom Geist der 68er beseelt: Raus aus der Enge der spießigen Nachkriegsgesellschaft Deutschlands, hinaus in die weite Welt! Oppitz umgab sich in den Kölner Jahren mit Künstlern wie Sigmar Polke, Isa Genzken oder Joseph Beuys. Diese teilten wiederum sein Interesse an mythischen Themen. Mit Lothar Baumgarten (*1944) kooperierte Michael Oppitz in mehreren Projekten: So gaben sie etwa gemeinsam bei der Düsseldorfer Galerie Konrad Fischer ein Künstlerbuch heraus, das zum Bestand der Kolumba-Sammlung gehört und der eigentliche Anstoß für diese Sonderschau war. | Die meist thematisch strukturierte Präsentation bietet Einblicke in Tage- und Notizbücher sowie in die zahlreichen Publikationen von Michael Oppitz. Die Ritualpraxis, die Berufung sowie Initiation von Schamanen und die mündlich tradierte Mythologie der Magar illustrieren Exponate und Dokumentationen. Eine gemeinsame künstlerische Intervention von Oppitz und Baumgarten veranschaulicht etwa die von beiden für diese Ausstellung installierte Wandarbeit aus 50 mit Volksbezeichnungen beschrifteten Adlerfedern – unter dem Titel Section 125 – 25 64 – 58 – Hommage à M. B. (1972 – 74). | Doch sei dem Besucher unbedingt ans Herz gelegt, vor dem Abschreiten der gerade beschriebenen Ausstellung eine Etage tiefer in dem traditionell für klerikale Preziosa vorbehaltenen, verdunkelten Raum den von Oppitz zwischen 1978 und 1980 gedrehten Dokumentarfilm Schamanen im Blinden Land anzuschauen. Er führt die Genesis des Schamanentums, vielmehr deren Reinkarnationssystem in einem Himalayadörfchen in Nordwest-Nepal auf enorm eindringliche Weise vor Augen – mit Geistheilungsséancen gegen Hexen, Initiationsritualen, Riten zur Geburt sowie zu Bestattungen. Die häufig im Kreis der Dorfgemeinschaft begangenen Rituale beeindrucken ebenso wie die ruhigen Kamerafahrten durch die beeindruckende Gebirgswelt. Nur sollte der Besucher Zeit mitbringen, denn der Film dauert fast vier Stunden. Nach seiner Uraufführung in New York 1980 jedenfalls fand Schamanen im Blinden Land großen Anklang auf den Internationalen Filmfestspielen in Berlin. Joseph Beuys, der bekanntlich die Pose des Schamanen benutzte, hatte den Rohschnitt des Filmes gesehen und zu Michael Oppitz gesagt: „Die haben mir alles geklaut.“ Und dieser erfuhr bei seinem erneuten Besuch im Himalaya vor sechs Jahren, dass sich die von ihm gefilmten Kulturen von der maoistischen Unterdrückung jeglicher Religionsausübung nicht mehr erholen konnten. | Die anthropologische wie globale Fragestellung der Sonderschau im Kolumba – das sei am Ende doch noch betont – gehört zur Ausstellungspraxis des Museums – nicht zuletzt auch die Verquickung von Religion und Mystik in der Kunst – wie etwa im Oeuvre des US Künstlers Paul Thek, von dem das Haus weltweit die imfangreichste Sammlung besitzt. (Uta M. Reindl, Kunstforum International, Bd. 256, September – Oktober 2018)

»Wäre die Ausstellung in einer Barockvilla oder in einem mittelalterlichen Museumsbau zu sehen, hätte sie längst nicht die Wirkung wie in Peter Zumthors Architektur. Denn das vor sieben Jahren von dem Schweizer Architekten vollendete Kolumba-Kunstmuseum, das die spätgotische Kirchenruine St. Kolumba geradezu körperhaft umhüllt, hat tatsächlich etwas von einem Schrein, der den Schatz in seinem Inneren verbirgt, gleichzeitig auf ihn neugierig macht – durch eine diskrete wie sinnliche, stets die Wachheit des Betrachters fordernde Raumchoreographie. Sehr passend ist somit der Titel "zeigen verbergen verhüllen. Schrein" für die aktuelle und siebte Neupräsentation von alter und junger, von sakraler und profaner Kunst sowie von Kunsthandwerk aus den Beständen der in Kolumba beheimateten Diözesansammlung, angereichert durch Leihgaben aus hausexterner Kollektionen. Ein veralteter, verrotteter Sicherheitsschrank, die Arbeit des Düsseldorfer Künstlers Felix Droese von 1986, stellt sich dem Besucher in den Weg, wenn er durch das Foyer zum Ausstellungsareal im ersten Stock gelangen möchte. Ein treffliches Sinnbild für die globale Finanzwelt. Und oben, direkt neben der Treppe, steht ein schokoladenbrauner Metallkasten, der ein föhnartiges Brausen verhüllt – ohne Titel (1988) von dem Wahlberliner Thomas Rentmeister. Wer denkt da nicht auch an Flüchtlingscontainer? Einige Schritte weiter inszeniert sich in acht Vitrinen all das, was im Kunsthandwerk und in der Kunst in irgendeiner Weise zeigt, verbirgt oder verhüllt: Minnekästchen aus dem 16. Jahrhundert, Reliquienbehälter, jede Menge Boxen, Schachteln, Hüllen und Kartons für Schreibmaschinen, Kameras oder gar Rasierapparate. Dazwischen dann Katalogkassetten von Carl André, Piero Manzoni oder auch Daniel Buren. Dem teilweise witzigen Wunderkammerarrangement hinter Glas schließt sich auf einem Podest im nächsten Raum die Ansammlung von Truhen an – für Grammophone, Röhrenempfänger oder Telexgeräte, alles vor einer mächtigen Archivtruhe aus dem Mittelalter luftig installiert. Von hier aus fällt der Blick in die verdunkelte Schatzkammer – und dort auf den faszinierend schlichten Bischofstab des heiligen Annos mit Elfenbeingriff. Er stammt aus dem Kirchenschatz von Sankt Servatius in Siegburg, der gleich mit mehreren Schreinen, mit kostbaren Geweben aus Byzanz oder Persien in der aktuellen Ausstellung zu Gast ist.
Die kostbaren Schreine finden sich aber erst im höchsten Geschoss, wo das Zeigen, Verbergen, Verhüllen freier, an manchen Stellen auch sehr gelungen variiert wird. So etwa wenn die abstrakten Gemälde von Hermann Abrell, Raimund Girke und das fast figurative Andachtsbild von Alexej von Jawlensky die Alabaster-Muttergottes vom Marienaltar in St. Kolumba geradezu einzukreisen scheinen. Abrells lineare Strukturen auf Leinwand überlagern Tiefen, Girkes Farbgestus schafft Bildräume und Jawlenskis „Große Meditation“ lässt ein mit wenigen Pinselstrichen gemaltes Gesicht und ein Kreuz miteinander verschmelzen. Vier Schreine aus der erwähnten Siegburger Kirchengemeinde sind großzügig im zentralen Raum installiert, in dieser Konstellation und an diesem Ort fraglos eine beeindruckende Darbietung von mittelalterlicher Goldschmiedekunst. Die motivliche Klammer vom Anno-Schrein, der als Vorläufer des Dreikönigsschreins im Kölner Dom gilt, zu dem wohl bedeutendsten Raum im Hause, ist in mehrfacher Hinsicht naheliegend. Dort gibt es nicht nur einen überraschenden Domblick, sondern man teilt ihn so quasi mit Stefan Lochners Madonna mit dem Veilchen, weil das Gemälde praktisch zur Domseite ausgerichtet hängt. Bekanntlich befindet sich im Dom der Dreikönigsschrein und Stefan Lochners berühmter Dreikönigsaltar. Vor dem Fenster gegenüber der Lochner-Madonna ist zeitgenössische Kunst installiert: auf Papier und Leinwand gefertigte „unsichtbare“ Gemälde auf vier Tischen großzügig verteilt. Bruno Jakobs Intervention Happy Nothing: Still Collecting (Lemon Yellow) von 1990/98 umfasst 31 anscheinend leere Blätter verschiedenen Formats, die natürlichen Einflüssen ausgesetzt wurden, von Tränen oder Schweiß benetzt, von Staub oder Erde zart beschichtet und Geräuschen oder gar dem Tod ausgesetzt worden sein mochten. Jakobs subtile Arbeit, die sich der Ästhetik der Unsichtbarkeit widmet, dialogisiert ausgezeichnet mit dem Gemälde Lochners, mit der Zartheit dort gemalter Gewebe beispielsweise. Der in New York und im Schweizerischen Aarberg lebende Künstler, der seine weißen Bilder eher als konkrete wie offene Form des Geschehens begreift, führte während der Ausstellung die Radikalität seiner malerischen Position in einer Performance vor, wovon auch diverse Utensilien im Ausstellungskontext zeugen. Eine moderne Form der Radikalität übrigens repräsentiert das Schaffen des Amerikaners Frederic Matys Thursz, eine der bedeutendsten Positionen in der seit 1990 angelegten Sammlung des Diözesanmuseums beziehungsweise des Kolumbamuseums. In dieser Hängung überrascht das Gemälde von 1972, das nach Mark Rothkos Selbstmord entstand und sehr an Rothkos Malweise erinnert. Es darf als Hommage an ein Vorbild gesehen werden, zugleich als ein Schlüsselwerk für die radikal autonome Schichtenmalerei des 1992 verstorbenen Matys Thursz.
Ein weiterer Höhepunkt der Ausstellung ist das Miteinander von Max Coles Gemälden und dem grundsätzlich gelungen platzierten Elfenbeinkruzifixes aus dem 12. Jahrhundert in der Nähe der hohen Westfenster. Ähnlich wie Abrell arbeitet die in Kalifornien lebende Max Cole mit Linien, doch diese verlaufen horizontal, bauen in unterschiedlicher Dichte und Materialität auf dem Bildgrund auf und sind aus der Hand gezogen. Weitere Gemälde der US Amerikanerin gab es im Übrigen parallel zur Kolumba-Ausstellung in der Kunststation Sankt Peter unter dem Titel Max Cole. Meditations zu sehen.
Zeigen verbergen verhüllen. Schrein wurde wie alle anderen Ausstellungen von einem Kuratorenteam in Zusammenarbeit mit Stefan Kraus, dem Direktor des Hauses, zwei Wochen lang aus den Sammlungsbeständen herausgearbeitet und macht einmal mehr deutlich, weshalb das Kolumba längst schon die Auszeichnung als Museum des Jahres verdient hat, wie es ihn 2013 nun von der AICA (Association Internationale des Critiques d’Art) erhielt. Denn es zeichnet sich, so die Laudation von Danièle Perrier „durch ein stringentes Ausstellungskonzept, das Hand in Hand mit der Sammlung geht und Künstler vorstellt, die an der Peripherie des Medieninteresses liegen.“ Es sei „auf Beschaulichkeit und Wahrnehmung gerichtet, auf die Erziehung zur Langsamkeit des Sehens – wahrlich ein Museum gegen die Hektik der Zeit, in diesem Sinne ein Museum gegen den Strich.« (Uta M. Reindl, zeigen verbergen verhüllen. Schrein & Special Guests, in: Kunstforum International, Bd.225, März-April 2014, S.288-289)

»Das Kolumba ist kein White Cube. Als der Neubau des Erzbischöflichen Diözesanmusems Köln 2007 in Betrieb ging, war klar, dass das Ausstellen hier höchste Ansprüche an die Inszenierungskunst der Kuratoren stellen würde. 22 Räume, die unterschiedlicher kaum sein könnten: Klein, eng und schmal oder fast quadratisch und turmhoch; verwinkelt, dramatisch beleuchtet, in schummrigem Dämmerlicht oder lichtdurchflutet. Dazu kommt die starke Eigenpräsenz der Materialien. Durch die Haupträume spannt sich ein gleißend polierter, fast weißer Terrazzoboden, auf dem die Besucher wie auf Wasser zu wandeln scheinen. In den Nebenräumen sind die Böden aus graustumpfem, empfindlichem Mörtel. Ihre taktilen Oberflächen konkurrieren mit den Wänden, die ihre warme Ausstrahlung wiederum einem naturfarbenen, mit Quarzsand versetzten Lehmputz verdanken. Bei der Beschreibung all dieser Qualitäten wird einem Bange um die Kunst. Kann sie gegen soviel Sensibilität überhaupt mithalten? Peter Zumthors Musentempel bietet keinen großen Toleranzspielraum. Bei den jährlich wechselnden Sammlungspräsentationen gelangen zwar immer wieder wunderbare Situationen, aber ebenso hoch war die Fallhöhe, wenn der Dialog misslang. Diesen Dialog zwischen dem Raum, dem Betrachter als dem eigentlichen Hauptakteur und dem Kunstwerk anzuregen, darauf laufen die ganzen Anstrengungen hinaus. Von Anfang an war es der Diskurs, der innere und der nach außen getragene, der hinter der Idee eines „Museums der Nachdenklichkeit“ steckte. Ein Diskurs, der sich an der Kunst entzündet. Dieser Überzeugung sind all die Maßnahmen geschuldet, die Kolumbas Sonderstellung in der Museumslandschaft ausmachen, bis hin zum Verzicht auf eine Beschriftung der Exponate, um dem Betrachter den eigenen Zugang zum Werk offen zu halten. Insofern unterscheidet sich „denken“, das Motto der gerade eröffneten, fünften Neuordnung der Sammlungspräsentation, kaum von der grundsätzlichen Konzeption des Museums. Das Denken gehört zum Diskurs. Vielleicht liegt es an dieser Vertrautheit, dass die Präsentation diesmal so ausgesprochen stimmig und anregend geraten ist. Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass das Team um Museumsleiter Stefan Kraus inzwischen sein Museum im Griff hat. Auf den Spuren vielfältigster künstlerischer Denkformen eröffnet „denken – eine Ausstellung über Wege, die Welt zu erfahren“ einen Parcours, der mit wunderbarer Leichtigkeit zwischen den historischen Schätzen kirchlicher und privater Andacht und der zeitgenössischen Kunst, zwischen Bildern, Skulpturen, Design, Film und immer wieder dem Buch als konzepttragendem Medium Beziehungen herstellt. Keine verkrampfte Didaktik wie bei der dritten Jahresaustellung „Hinterlassenschaft“ 2009 mit ihrer überinszenierten Aufgeregtheit, kein Totschlagen sensibler Malerei durch goldenes Kirchengerät wie es Rudolf de Crignis´ blauen Bildern in der Eröffnungsausstellung 2007 widerfuhr. Die Dinge haben ihren Platz gefunden zusammen mit den Kuratoren, die sich offenbar von der einschüchternden Autorität des Architekten befreit haben und auf Augenhöhe in ihrem Haus angekommen sind. Wen wunderts, dass auch die Architektur von der souveränen Bespielung profitiert und als Bühne für diesen Auftritt kaum überzeugender dastehen könnte. Das schließt Reibungen und offene Fragestellungen nicht aus. Kaum etwas regt weniger zum Denken an als das Vorhersehbare. Unerwartete Perspektiven und Einsichten gehören zum Programm, seit Joachim M. Plotzek, der 1990 das auf sakrale Kunst spezialisierte Erzbischöfliche Diözesanmuseums übernommen hat. Das zeigt sich nicht nur in der immer wieder erprobten Gegenüberstellung von Alt und Neu, sondern fängt beim Ankauf neuer Werke an. Die Sammlungstätigkeit abseits der gängigen Trends setzt jahrelange Beobachtung voraus, ein langsam wachsendes, näheres Kennenlernen, bis man sich schließlich für einen Ankauf eines repräsentativen Konvoluts entscheidet. Dass bei einer solchen, auf der persönlichen Begegnung basierenden Ankaufspolitik der Anteil der Künstler aus Köln nicht unerheblich ist, liegt auf der Hand und macht das Museum zu einem der wichtigsten Förderer des Kunststandorts Köln. Hinzu kommen verschiedene hochkarätige Sammlungen, die teils als Schenkungen, teils mit Unterstützung öffentlicher und privater Stiftungen den Bestand bereichern. So bildet diesmal die Schenkung von Edith und Steffen Missmahl das Herzstück der Jahresausstellung. Ihre Sammlung ist auf Künstlerbücher spezialisiert und umfasst 954 Werke. Etwa ein Zehntel davon wird auf einem 15 m langen Büchertisch präsentiert, der im Lesezimmer beginnt und sich quasi durch die Wand hindurch im benachbarten Ausstellungsraum fortsetzt. Steffen Missmahl, der aus der angewandten Grafik kommt und schon von Berufs wegen mit vielen Künstlern zu tun hat, sammelt seit den Anfängen des Künstlerbuchs in den 60er Jahren in der Gefolgschaft von Fluxus und Konzeptkunst. Keine geringe Rolle spielt dabei die Kunstbuchhandlung Walther König, die 1969 in Köln eröffnet wurde. Für Missmahl beherbergen diese meist in sehr kleinen Auflagen herausgegebenen Editionen autonome Kunstwelten: „Im Idealfall ist das Buch bespielt wie eine gute Ausstellung“, sagt er dazu im „Tischgespräch“ mit Stefan Kraus und Marc Steinmann. Statt von einem Ausstellungskatalog, der den vielen Positionen kaum gerecht werden könnte, werden die Jahresausstellungen von Werkbüchern begleitet. Zu „denken“ erscheint eine schwergewichtige Aufbereitung der Sammlung Missmahl einschließlich Inventar und Register. Sie ergänzt die starre Präsentation unter Glas um vertiefende Einblicke in diesen speziellen Kosmos. Ganz im Sinne von Duchamps „La Boîte-en-valise“ macht das Künstlerbuch als „Museum für die Tasche“ fast alles mit. Es lässt sich von Georg Herold in ein extrem schmales und hohes „Brettformat“ zwingen, dessen bunt gemischtes Bilder-Inventar mit der Frage „Warum und zu welchem Ende studiert man Kulturgeschichte?“ überschrieben ist (1994), oder von On Kawara in einen Zeitspeicher von „One Million Years“ in Form akribischer Datenkolonnen verwandeln (1999). Wie Geschichten unter den Händen Haken schlagen, erlebt man in der Ausstellung auf verschiedene Weise. In einer Raumecke führt ein Film unter dem Titel „Zeichnen“ den kreativen Prozess am Beispiel der Zeichnerin Monika Bartholomé vor. Die Kamera ist sehr nahe an das Blatt gerückt, so dass vor allem die zeichnende rechte Hand zu sehen ist. Die Hand zieht die Linien ganz ruhig und bestimmt; es wird klar, dass die Bewegungsabläufe durch jahrzehntelange Übung eingespielt sind und sich fast wie von selbst vollziehen. Die traumwandlerische Sicherheit ist Bedingung für ein intuitives Arbeiten, aber in ihr steckt auch die Gefahr der sich selbst wiederholenden Virtuosität. Bartholomés 12-teilige Zeichnungsserie „In der Akademie“ (1992) thematisiert diese Gradwanderung des immer wieder neue Bilder „ausspuckenden“ Bleistifts an der Variation eines Themas. Die Blätter teilen sich das schlauchartige Zeichnungskabinett mit feinen akademischen Übungen von Franz Ittenbach (1831-33), formalen Kapriolen mit Hühnern und Kühen von Thomas Rentmeister (1984-2010) sowie 60 Werkzeichnungen aus dem 189-seitigen Konvolut zur Steinzeitgeometrie von Rune Mields (1980-82). Sie ergänzen sechs große Leinwände aus demselben Zyklus, deren majestätischer Auftritt in der Tat den Eindruck einer Erscheinung aus einer anderen Zeit erweckt. Von diesen schwarzen und ernsten Bildern geht eine starke spirituelle Kraft aus. Die Beschäftigung mit „rationalen Formeln der Frühzeit“, wie Rune Mields es nennt, hat sich in komplexe Zeichenstrukturen suggestiver Irrationalität verwandelt. Wenn man so will, kann man sie als Antwort auf Bernhard Johannes Blumes kleine, 5-teilige Fotoarbeit „Die reine Vernunft ist als reine Vernunft ungenießbar“ von 1981 lesen, die betont beiläufig an der Startposition des Parcours wie ein Grußwort montiert ist. Darauf ist zu sehen, wie der Künstler versucht, sich ein Stück Vernunft in Form eines kleinen Quaders irgendwie einzuverleiben. Auch diese Fotoarbeit ist schwarzweiß. Ob das Denken eher in bildnerischen Reflexionen aufzuspüren ist, die der Grafik verwandt sind? Insgesamt bleibt der Einsatz von Farbe sparsam. Das ist ein auffälliger Gegensatz zum opulenten Aufgebot an Farbmalerei der letztjährigen Präsentation „Noli me tangere!“, die sich dem Körper zuwandte. Mit dem Denken geraten statt dessen geometrische Ordnungssysteme ins Blickfeld, die sich untereinander zu einem Wechselspiel sinnstiftender und ordnender Strukturen über die Jahrhunderte hinweg verbinden. Ein schönes Beispiel dazu ist der Raum 8: Die Kreisformen des Schmuckfußbodens mit Kosmosbild aus Oberpleis (1220/30) finden ihren Widerhall in den ornamental-gerundeten Gewandfalten der beiden romanischen Andachtsbilder, der Pingsdorfer Muttergottes und dem Kruzifix aus Erp, um über die kreisenden Fußspuren aus Antoni Tápies´ „Spuren auf weißem Grund“ (1965) in eine moderne Reflexion der Existenz adaptiert zu werden. Von dort geht es durch einen engen Treppenschacht wie durch eine Lichtschleuse hinauf in die zweite Etage. Zumthor hat an dieser Stelle einen starken Kontrast in den Museumsrundgang eingebaut: Man ist fast geblendet, wenn man aus dem introvertierten Dämmer der ersten Etage in diese Helligkeit eintritt. Aber die eigentliche Sensation erwartet den Besucher hier mit Jeremias Geisselbrunns Muttergottes mit Kind. Die barocke, auf das Jahr 1650 datierte Alabasterfigur stammt vom Marienaltar der im Krieg zerstörten Kirche St. Kolumba und war in tausend Stücke zerschlagen. In detektivischer Kleinstarbeit wurde sie wieder zusammengesetzt. Es gehört zum Geheimnis des Fragmentarischen, dass die Beschädigungen ihre Schönheit nicht gemindert haben. Im Gegenteil. Die dunklen, durch Feuer und Rauch verursachten Verfärbungen des Alabasters erhöhen noch den Reiz der lebhaft bewegten Formen. Wie einige andere Schlüsselwerke der Sammlung hat sie von Anfang an einen festen Platz in Kolumba eingenommen und bleibt von den jährlichen Wechseln unbehelligt. Sie ist der Fixstern in Raum 10, der als Wechselausstellungsraum genutzt und mehrmals im Jahr umgehängt wird. Zur Zeit hat Birgit Antoni, die auch in der Sammlung Missmahl mit ihrem Buch „Sternschleuder“ von 2005 vertreten ist, das Glück, mit vier großen Leinwänden aus den Jahren 1996/97 der Madonna Gesellschaft zu leisten. Tatsächlich scheinen sich die Bilder und die Barockfigur zu mögen: Auch hier sind es die sowohl in den Bildern als auch in der Skulptur angelegten Formen der Bewegung sowie die miteinander harmonierende Farbigkeit, die unter den Werken Verbindungen herstellen. Antonis Arbeit basiert auf dem Prinzip, aus der Diskrepanz zwischen der selbstauferlegten Beschränkung der Ausgangssituation und dem stupenden Reichtum der Ergebnisse, den Fokus auf die unendliche Bandbreite der freien Entscheidungsmöglichkeiten zu richten, und damit auf die Freiheit selbst. Sie beginnt immer damit, die Leinwand mit einer Struktur aus sich überschneidenden, aus der Hand gezogenen Kreisen zu überziehen. Je nachdem, wie sich die amorphen Binnenflächen der Kreissegmente durch eine einheitliche Farbe zusammenziehen oder farblich trennen, bilden sich unterschiedliche Räumlichkeiten. Gerade bei der Gruppe in Raum 10 lässt sich das Kippen der Farbbotschaft gut nachverfolgen: Alle drei Arbeiten (eine davon ist zweiteilig) tragen mehr oder weniger die gleichen Farben, ein helles Blau, ein Olivgrün und einen sandigen Ton; dazu kommt in zwei Fällen Schwarz. Dennoch sind sie vom Charakter völlig unterschiedlich, was sich auch in den Titeln ausdrückt. „Jungle“ ist ein Vorhang aus vegetativen Girlanden, in denen das helle Blau unweigerlich an schimmernde Wassertropfen erinnert. „Pogo“ wirkt dagegen sehr edel und elegant, wie kostbare Intarsienarbiet, während „zweiteilig abgedreht“ sich von figürlichen Reminiszenzen ganz lossagt und als reine Abstraktion musikalischer oder piktoraler Systeme erscheint. Künstler forschen im eigenen Auftrag, kommen aufgrund ihrer radikalen Subjektivität zu authentischen Antworten mit gesellschaftlicher Relevanz. Mit der 1942 in Chicago geborenen Victoria Bell präsentiert die Ausstellung nicht nur eine der wichtigsten zeitgenössischen Bildhauerinnen, sondern auch eine Position, die sich diesem Forschergeist mit besonderer Intensität verschrieben hat. Für Bell ist die Verbindung von Kunst und Wissenschaft ebenso selbstverständlich wie die Wesensverwandtschaft von Natur und Technik. Eine kleine Auswahl ihrer Zeichnungen aus den Jahren 1979-2005 zeigt dies eindrücklich. Die Bleistiftzeichnungen lassen sich manchmal von Konstruktionszeichnungen nicht unterscheiden und tragen Titel wie „Using a model for unconnected slides of 3D space in a 4D space sordan“. Der Höhepunkt ihres Auftritts und gleichzeitig einer der Höhepunkte der Ausstellung findet aber in einem der fünfeinhalb Meter hohen Turmzimmer statt: Die „Fliegende Lokomotive“ aus dem Jahr 2005 thront in diesem Raum, als ob er für sie gemacht sei. Die mächtige Konstruktion aus rotem Zedernholz und Stahl erinnert tatsächlich an eine altmodische Lokomotive und zugleich an H. G. Wells´ Zeitmaschine. Victoria Bell, deren umfangreiche Retrospektive im Rheinischen Landesmuseum in Bonn soeben zu Ende gegangen ist, entwickelt ihre kosmologischen Visionen am Maßstab des Humanen und Selbstbestimmten. Man traut es der „Fliegenden Lokomotive“ durchaus zu, jederzeit aus freien Stücken den Ostturm wieder verlassen zu können. Bis dahin leistet ihr ein sehr zurückhaltendes und poetisches Werk von Konrad Klapheck Gesellschaft. Sein „Kleines Liebesglück“ von 1959 gehört zu einer Serie, in der er sich mit Fahrradklingeln befasst hat. Trotz seiner bescheidenen Maße scheint es mit der „Fliegenden Lokomotive“ auf einer magischen Ebene verwandt. Kaum zu glauben, dass es aus demselben Jahr und vom selben Künstler stammt wie das monumentale „Der Wille zur Macht“ in Raum 12. Offenbar werden in den beiden Arbeiten gegensätzliche Daseinsformen ausgedrückt: hier das spielerische Liebesglück, dort ein gefühlloser, harter und menschenverachtender Machtanspruch, der sich in einer Schreibmaschine „personifiziert“. Mit dieser eindeutig negativen Konnotation haben die 45 Schreibmaschinen aus der Schenkung Werner Schriefers nichts gemein. Wie auf dem Präsentierteller sind sie auf einem nierenförmigen, mit dunkelgrünem Linoleum bezogenen Podest aufgebaut. Die formschönen Gegenstände des täglichen Gebrauchs aus der Sammlung Werner Schriefers haben in den Jahresausstellungen einen festen Platz. Natürlich gehören zu einem Diözesanmuseum auch Handschriften und gedruckte Bücher aus der Zeit vor dem Maschinenzeitalter. Um ein besonders seltenes Exemplar aus der Frühzeit des Buchdrucks handelt es sich bei der „Ars memorandi“, die um 1470 entstanden sein soll und über die Sammlung Renate König in den Besitz von Kolumba gelangte. Neben dem reichen Konvolut mittelalterlicher Kunstschätze aus der Schenkung Renate König bilden umfangreiche Werkkomplexe des Künstlers und Komponisten John Cage einen weiteren Schwerpunkt. Bei der aus Abfallkupferplatten aufgebauten Radierfolge „On the Surface“ (1980-82) handelt es sich um hochsensible Farbradierungen, die nur als Einer-Auflage gedruckt wurden und mitsamt den vorbereitenden und begleitenden Notationen in den Besitz des Museums gelangten. Die 35 Blätter folgen einer Mischung aus Zufallsprinzip und Kalkül und geben den in ihrer Mitte wie aufgebahrt gelagerten, gotischen Fragmenten aus St. Kolumba einen horizonterweiternden, zeitlosen Rahmen. Während bei Cage Kontemplation und Dauer als Voraussetzung des Denkens begriffen werden, geht es in der expressiven Malerei-Installation im großen Hauptraum wohl eher um intuitive Erfahrungs- und Erlebnisräume, in denen die an Vernunft gebundene Sprache versagt. Bei dem 6teiligen Zyklus „In der Leere ist ist nichts“ (1998) von Dieter Krieg handelt es sich um eine sehr krafvolle, sich an der Widerständigkeit der Materie abarbeitenden Setzung. Die sechs Worte mit der irritierenden Verdoppelung des „ist“ sind in groben Schriftzügen auf die sechs monumentalen Werke verteilt. Sie sind aber nicht direkt in die farbverkrusteten Oberflächen eingebettet, sondern auf applizierten Acrylglasscheiben abgelegt. Die sperrigen Projektionsflächen wirken wie mit Gewalt der Malerei „aufs Auge gedrückt“. Der Widerstreit zwischen bildlicher und kognitiver Vernunft lässt sich kaum zwingender darstellen. Beide Bereiche werden durch die fragilen Glasscheiben getrennt und verbunden. Dieter Krieg, der fast 25 Jahre lang Professor an der Düsseldorfer Akademie war, betreibt hier eine bildsprengende Synthese von Realität und Bildrealität, Bild und Schrift, Zeichen und Körper. Rundum über die Wände des zentralen Ausstellungsraumes verteilt, vollzieht sich diese Auseinandersetzung wieder in der bekannten, rotierenden Bewegung. Eine Zeitspirale mit dem Betrachter im Zentrum. Immer wieder ist es diese kreisende Bewegung, die dem Denken immanent zu sein scheint und fatal an Picabias Aphorismus „Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann“ erinnert. Die Kuratoren der Ausstellung werden dem nur beipflichten können. Zur Ausstellung sind zwei Publikation erschienen: denken – Künstlerbücher der Sammlung Missmahl, Hg. von Stefan Kraus, Katharina Winnekes, Ulrike Surmann, Marc Steinmann unter Mitarbeit von Eva-Maria Klother und Steffen Missmahl, 336 Seiten, über 600 Farbabbildungen, Textcollage über Bücher, Inventar, Register, Hardcover mit Schutzumschlag, Köln 2011, € 35,-. Anja Becker-Chouati, Ars memorandi. Die Kunst des Erinnerns, Sammlung Renate König VII, Reihe »Kolumba« (Bd. 36), Köln 2011, 64 Seiten, 33 farbige Abb., Text und Glossar in Deutsch, Englisch und Französisch, broschiert. € 16,-« (Sabine Elsa Müller, denken. Eine Ausstellung über Wege, die Welt zu erfahren, in: Kunstforum International, Bd.212, S.296ff.)

»Hier gibt es ein Museum, das die Sinnfrage von Kunst auf seine Weise stellt und durch einen angelegentlichen Dialog über die Grenzen der Kunstgeschichte hinaus beatmet. Der Neubau mit all' seinen exponierten Setzungen verleiht dem einen besonderen Nachdruck. ... Der Bau selbst, dem die Kardinalspredigt eine zusätzliche Öffentlichkeit bescherte, ist ein Monument der Versöhnung, die sich nicht anbiedert. Zumthor hat auftragsgemäß einen erweiterten sakralen Raum geschaffen. Die Ausgrabungen wurden umbaut, es entstand eine hohe Halle, die durch das Band des 'Filtermauerwerks' das Außenklima erhält. In die seltsame Halle mit ihrem tagtäglichen Halbdunkel ragt Gottfried Böhms Nachkriegskapelle wie ein exterritoriales Ausstellungsstück mit eigenem Innenleben. Über den freigelegten Grundrissen der mehr als 1000jährigen Kolumbageschichte legt der Architekt einen gezackten Steg in die Sakristei, die wiederum als Ruine belassen wurde und unter freiem Himmel Richard Serras 'The Drowned and the Saved' (1992/97) beherbergt. Dieses Museum hat keine Cafeteria aber einen Garten mit 11 Bäumen, wo früher der Kirchhof war, und es gibt ein 'Lesezimmer'. ... Trotzdem ist das ein Haus, das erobert werden will. Es gibt hier keinen white cube, Lieblingsfarbe: Grau! Zumthor dramatisiert das Hell-Dunkel, er geizt mit dem Tageslicht, im schmalen, ersten Obergeschoss gibt es kein einziges Fenster, man ist versucht von einem 'Zwischengeschoss' zu sprechen, denn erst das natürliche Licht adelt. Der wirkungsvolle Blick nach draußen in die Umgebung, etwa auf den nahe gelegenen Dom ist sorgsam proportionierte Sensation, die nur von einigen Räumen des Obergeschosses genossen werden kann. Ein demokratisches Lichtwunder, wie es für das Kunsthaus Bregenz erfunden wurde, findet nicht statt. Bauherr ist schließlich die katholische Kirche, und Zumthor fängt jedes Mal von vorne an. Für einige turmartige Zimmer hat er hohe Oberlichter konstruiert, die durch ihre zinnenartige Erscheinung dem Bau von außen wiederum etwas Wehrhaftes verleihen. Kolumba ist eine Festung, die aus alten Kirchenmauern herauswächst und durch die flachen grauen Ziegel fast ein wenig trotzig den Anspruch auf handwerkliche Solidität formuliert. Manch eine hübsche Zweckarchitektur aus den 70er Jahren in der näheren Umgebung von Kolumba, sieht jetzt ganz schön alt aus." Ein unangepasstes Haus für eine andere Sammlung! Das Team tritt immer im Kollektiv auf: Plotzek, Winnekes, Kraus, Surmann & Steinmann. Über dem entgrenzten Dialog findet ein anderes Schauen statt. Sakrale Exaltation wird oft genug durch 'stille' Bilder abgefedert. Jeremias Geisselbrunns Muttergottes mit Kind vom Marienaltar in St. Kolumba (1650) wird durch das Weiß von Peter Tollens (Gemälde 392/2001) aufgefangen. Zwei Arbeiten von Georg Baumgarten aus den 20er Jahren bilden die expressiven Figuranten. Solche Berührungen gibt es immer wieder. … Kolumba feiert Kunst in einer aufgehobenen, spirituellen Zeit! Die (alle) Werke sind hier nicht mehr das, was sie vorher waren. … Man wird dieses Haus mit seinen unkonventionellen Öffnungszeiten (täglich außer dienstags 12 bis 17 Uhr) öfter besuchen müssen.« (Reinhard Ermen, Ein Sakralbau in den Dimensionen eines Museums, in: Kunstforum International, 1/2008, S.343-344)

»Das Kunststück dieser Ausstellungsidee ist, daß es trotz der exakten Zielsetzung kein starres Raster gibt. Zugrunde liegt kein Konzept, dem die Kunst pauschal zu folgen hat, sondern eines, das jedem einzelnen Werk seinen Atem läßt. Es wird durch Nachbarschaften gestärkt – sowohl in seiner formalen Präsenz als auch in seiner inhaltlichen Aussage. Und sogar der Zufall darf eine Rolle spielen. Kreativität wird als Prinzip der Freiheit erkennbar.… Und die Zeitgenossenschaft aller Äußerungen – künstlerischer, handwerklicher, rezeptiver, kreativer – ist das Credo dieser Ausstellung, die Maxime des Kölner Diözesanmuseums, die der Baden-Badener Kurator Dirk Teuber begeistert teilt. Erwähnenswert ist noch die einfühlsame Arbeit des restauratorischen Betreuers Bernhard Matthäi und seiner Mannschaft sowie der lesenwerte Katalog mit einer akutellen und sensiblen Fototdokumentation von Lothar Schnepf. Das Buch trägt die Handschrift des bewährten Kölner Teams – Katharina Winnekes und Stefan Kraus, als Moderne-Spezialisten, Ulrike Surmann als Mittelalter-Expertin und Joachim Plotzek als Chef mit sanfter Hand – sowie des in Baden-Baden verantwortlichen Dirk Teuber.« (Amine Haase, Gelungener Pobelauf. Das Diözesanmuseum Köln zu Gast in der Kunsthalle Baden-Baden, Kunstforum International 9/1998, S.400-402)