Kolumba
Kolumbastraße 4
D-50667 Köln
tel +49 (0)221 9331930
fax +49 (0)221 93319333


»Unter den Museumsbesuchern in Kolumba fällt das junge Paar kaum auf. Erst als sich die Frau an einer der Wände abstützt und der Mann auf dem Boden liegt, wird offenbar, dass es sich um Esther Kläs handelt. Die Bildhauerin entwickelte für die Jahresausstellung „Das kleine Spiel zwischen dem Ich und dem Mir“, in der das Museum acht Choreographien zeigt, die einmal präsentierte Tanzperformance „TON“ mit Gustavo Gomes. | Die 39-jährige Künstlerin stemmt sich mit einer Entschlossenheit gegen die mächtigen Wände, als würde Peter Zumthors Architektur gleich über ihr zusammen stürzen. Gustavo Gomes steht ihr zur Seite, aber bald schon fallen die beiden wie ein knochenloses vierarmiges Weichtier in eine der Saalecken. Es ist ein Spiel von Kraft und Gegenkraft, das sich zwischen den Plastiken von Heinz Breloh fortsetzt, um in Raum 15, der wie eine Arena bespielt wird, in einem Kampf zwischen Mann und Frau zu münden. | Erstaunlich sind die Übergänge, in denen Aggression für kurze Momente zu Zärtlichkeit wird, bevor man wieder aneinander vorbei gleitet. Bewegung wird als eine Form des Haltens zum wiederkehrenden Thema dieser wuchtigen Choreographie. So hält sich das Paar in zarten Gesten, und wenn es dann miteinander ringt wie im Kampf, hält es sich wieder auf andere Weise. Sieger gibt es hier nicht, das Leben kennt nur ein „weiter so“. | Der angekündigte Dialog mit den Skulpturen des Museums findet nicht wie erwartet statt. Dafür wird hingegen das Museum selbst als Kunstwerk zur Bezugsgröße. Vor dem Hintergrund der verschwimmenden Helligkeit Kolumbas verwandeln sich die beiden schwarz gekleideten Körper in Zeichen und Chiffren, die in ihren angehaltenen Bewegungen Gestalten der Kunstgeschichte zitieren. Eine dichte, energetische Performance entwickelt sich, die den besonderen Ort effektvoll zu bespielen versteht. (Thomas Linden, Kraftvoll gegen die Wand. Esther Kläs schlug mit der Tanzperformance TON ein neues Kapitel der wachsenden Jahresausstellung in Kolumba auf, Kölnische Rundschau, 3.10.2020)

»Langer Anlauf, weiter Sprung. Weil man 2018 den Paarlauf mit dem Römisch-Germanischen Museum kollegial verlängerte, hatte Kolumba für seine Jahresausstellung die doppelte Zeit. Und die wurde wahrhaft nicht vergeudet. "1919 49 69ff. – Aufbrüche“ heißt die Schau, die vor allem den kreativen Neubeginn nach historischen Desastern oder Umbrüchen spiegelt. Und dabei fragt, inwieweit Krisen auch Geburtshelfer radikaler Kunst sind. Vieles bleibt bewusst doppelbödig: Victoria Bells mächtige Holzskulptur „Propeller für D“ würde wohl jedes Fluggerät zum Absturz bringen, liefert aber ein dynamisches Leitmotiv, das ganz oben von Marek Poliks‘ „Interdictor“ aufgenommen wird: eine spacige Klangkapsel, die ihre „Musik“ 640 Computerlüftern verdankt. Schöner Durchzug, den Direktor Stefan Kraus und sein Team da erzeugen. Norbert Prangenbergs benachbartes Riesengemälde scheint die unerhörten Töne des Geräts direkt in Farb- und Formwirbel zu übersetzen – nur ein Beispiel für das Kombinationsgeschick der Kolumba-Kuratoren. Letztere wagten eine Art Stresstest für die in den letzten 30 Jahren erworbene Sammlung des Hauses. Taugt sie dazu, das Umfeld der Weltkriegskatastrophen und den Umbruch nach 1968 auszuleuchten? Und ob. Walter Opheys „Dorfkirche“ oder Carlo Menses expressiv entfesselte „Messe“ beweisen, dass progressive Kunst um 1919 durchaus religiös grundiert war. Conrad Felixmüllers „Menschen über der Welt“ scheint dies auch nahezulegen, zeigt aber höchst politisch die Himmelfahrt von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Kirchliches und Profanes hat das Kunstmuseum des Erzbistums Köln stets klug konfrontiert, diesmal sehen sich Otto Dix‘ „Pferdekadaver“ oder Heinrich Hoerles Schockszenen aus der „Krüppel-Mappe“ einer „Beweinung Christi“ oder Adalbert Trillhaases Ölgemälde „Adam und Eva – Vertreibung aus dem Paradies“ gegenüber. Gleich nebenan öffnet sich eine Oase des Friedens, die den zu Unrecht lange vergessenen Walter Ophey würdigt. Die „Kölner Progressiven“ werden hier von Franz Wilhelm Seiwert angeführt (eindrucksvoll sein „Sich im Schmerz aufbäumendes Pferd“), und das Bauhaus vertritt nicht Walter Gropius, sondern Andor Weininger. Man sieht seine konstruktivistischen wie surrealistischen Werke – und hört ihn als Pianisten der Bauhaus-Band, deren Konzerte die Kräche der Künstler übertönen sollten. Bei Bruno Tauts gläsernen Bauten sind Utopien zu bestaunen, während die Sammlung von Werner Schriefers mit Babybadewannen oder Adler-Nähmaschinen für Bodenhaftung sorgt. Wirkt der eine oder andere Raum fast überkomplex, so genügt manchmal ganz wenig: Jermias Geisselbrunns bei Bombenangriffen auf Köln zerstörte Alabaster-Madonna konnte erst Anfang der 90er Jahre aus mehr als 70 Bruchstücken rekonstruiert werden. Und zu Otto Freundlichs daneben drapierten Gouachen ist zu sagen, dass der „entartete“ Künstler 1943 auf dem Transport ins Vernichtungslager Sobibor starb. Köln in Trümmern bezeugen nicht nur Tuschezeichnungen von Georg Meistermann, sondern auch der Schrein des hl. Albinus, an dem zwei Emailtäfelchen die Zerstörung einfangen. Die Kunst nach 1969 prägt dann eine Sehnsucht nach dem Fremden, nach Flucht aus der Nachkriegsenge wie in Michael Oppitz‘ Serie „Mythische Landschaften“. Und am schönsten wohl bei Michael Buthe: Seine „Heiligen Drei Könige“ reisen auf einer exotisch verwunschenen Barke aus Federn, Körben, Stühlen und Glühlampe. Es gibt noch viel mehr zu bestaunen – etwa eine Live-Restaurierung der Großformate von Dieter Krieg -, so dass man viel Zeit mitbringen sollte. Denn diese Mischung aus thematischer Tiefenschärfe und ästhetischer Finesse ist eine Rarität.
(Hartut Wilmes, Kunst im Dunstkreis der Katastrophen. Das Kölner Museum Kolumba brilliert mit seiner neuen Jahresausstellung, Kölnische Rundschau vom 14. September 2019)

»Diözesanbaumeister Martin Struck hat gemeinsam mit vielen Gutachtern nach rund eineinhalb Jahren die Lösung für das eindringende Wasser in das Kunstmuseum des Erzbistum Köln („Kolumba“) gefunden. Vermutlich ab Oktober soll das Haus nahe der Breite Straße wieder wasserdicht sein, dann verschwindet auch das Gerüst, es verhüllt seit Ende 2016 die Westfassade. „Es war eine schwierige Aufgabe“, sagt Struck. Ursprünglich wollte der Diözesanbaumeister die komplette 60 Zentimeter dicke Westwand mit einer wasserabweisenden und durchsichtigen Schutzschicht („Hydrophobierung“) überziehen lassen. Stattdessen trägt nun eine Firma eine modifizierte Hydrophobierung nur auf die sogenannten Lagerfugen auf. Vereinfacht gesagt entsteht die Lagerfuge, wenn die Ziegeln auf den Zement gelegt werden. „Ein Ingenieur meinte, die Fugen wären wie eine Autobahn, auf der das Wasser läuft“, sagt Struck. Zudem werden kleine Haarrisse ausgebessert. Das Kolumba gilt als Meisterwerk des Stararchitekten Peter Zumthor, auch die „New York Times“ lobte den 2007 eröffneten Neubau. Der Schweizer Architekt hatte sogar einen eigenen Ziegel namens „Kolumba“ entworfen, er kann wie berichtet 16 Liter Wasser pro Quadratmeter aufnehmen. Doch das reicht nicht, ab 2013 stellten Struck und Co. im Inneren Ausblütungen an Wänden fest, sie sind handtellergroß. In letzter Konsequenz bröckelte der Putz von den Wänden. Betroffen ist vor allem die Westwand, die den Witterungen besonders ausgesetzt ist. Struck sagt zu den Problemen: „Das Bauwerk ist so aufsehenerregend, weil es so noch nie gebaut worden ist. Dann läuft man schon mal Gefahr, eine Konstruktion zu wählen, die sich nicht bewährt.“ Also sollte die Westwand komplett abgedichtet werden, doch es zeigte sich, dass dieser Weg nicht zum Ziel führt. Vielmehr entdeckten die Gutachter ein anderes Problem beim Übergang zwischen Fuge und Stein. Laut Struck ist die Fuge zu hart, es entstehen Flankenabrisse, die Fuge wird also undicht und „zum Haupteinfallstor für Wasser“. Die naheliegende Idee: alte Fuge raus, neue rein. Aber auch hier haperte es, beim Entfernen hätten Ziegel beschädigt werden können, zudem legte Zumthor sein Veto beim neuen Spezialmörtel für die Fugen ein. „Er war ihm zu hell“, sagt Struck. Also gingen weitere Monate ins Land, bis die Lösung stand: Eine modifizierte Hydrophobierungs-Schicht wird ausschließlich auf die Fugen aufgebracht, und nicht auf den mehr als 20.000 Steinen der Westwand. Am Mittwoch hat Struck die Firma ausgewählt, in vier Wochen soll sie loslegen, weitere vier Wochen später fertig sein. Den Museumsbetrieb soll die Reparatur nicht beeinträchtigen. Die Kosten schätzt Struck auf 150.000 Euro. Möglicherweise holt sich das Erzbistum Geld vom Fugenhersteller wieder, allerdings könnten Entschädigungsansprüche verjährt sein. Struck sagt: „Das werden wir uns gut überlegen.“ Am liebsten würde er auch die Südseite schon nächstes Jahr ausbessern, dort könnte dasselbe Problem entstehen. Das Geld ist beantragt, aber noch nicht bewilligt. (Museum stoppt eindringendes Wasser: Kolumba macht die Fassade dicht, Kölnische Rundschau, 9.8.2018)

»Herrlich, wie Fred Astaire und Cyd Charisse schwungvoll ihren Pas de deux im Film "The Band Wagon" aufführen, während fein choreografiert im Hintergrund eine wilde Schießerei abgeht. Annamaria und Marzio Sala haben dieses filmische Fundstück subtil manipuliert. Dass "Fred", so heißt die Arbeit, am Anfang der neuen Jahresausstellung im Kölner Museum Kolumba den Besucher empfängt, ist kein Zufall. Denn die Schau heißt "Pas de deux" und ist doch viel mehr: Eine feinsinnige, artistische, mitunter akrobatische, in jedem Fall hoch spannende Durchdringung zweier Weltklassesammlungen. Der Untertitel deutet das an: "Römisch-Germanisches Kolumba". Für die Dauer eines Jahres führen beide Institutionen im attraktiven Zumthor-Bau ein hochkarätiges Pas de deux auf. Die anstehende Generalsanierung des Römisch-Germanischen Museums hatte vor drei Jahren zu Überlegungen über eine Kooperation beider Häuser geführt. Herausgekommen ist die Verschmelzung beider Sammlungen auf Zeit. Antike trifft auf eine Spanne, die vom Mittelalter bis zur Gegenwart reicht, was Parallelitäten und Korrespondenzen offenbart und zu anregenden Dialogen führt - seien sie thematisch gepolt oder von der Suche nach formalen Bezügen geleitet. Ein weites (Spiel-)Feld, das die Teams um Stefan Kraus (Kolumba) und Marcus Trier (Römisch-Germanisches) glänzend und sehr originell bearbeitet haben. Wer käme etwa darauf, eine der ersten Künstlergesten zeitlich ins dritte Jahrhundert und räumlich in Köln zu verorten, als ein Meister seine gläsernen Schälchen virtuos mit einem schwungvoll hingeworfenen bunten Glasfaden verzierte? Der "Kölner Schnörkel", Markenzeichen für Kölner Glaskunst, war erfunden. In der Ausstellung führt von diesem Schnörkel ein Weg zu einem Nürnberger Gebetbuch mit der "Wurzel Jesse", den "Ventilatoren" von Hann Trier, den "Smogblüten" von Werner Schiefers, Schreibversuchen seines fünfjährigen Töchterchens Alexandra und einer Passsage auf Laurence Sterns wilder literarischer Collage "Tristram Shandy". Ein abenteuerliches Crossover, dem man begeistert folgt. Der "Kölner Schnörkel" widerspricht dem Verdikt Heinrich Lützelers über den Kölner Humor: "Wenn man sagt 'Nu mach doch keene Baselemanes!!', so heißt das: lass das Getue, bleib mir mit der Verschnörkelung des Daseins weg! Der Kölner benimmt sich ausgesprochen unornamental..." Woanders in der Schau trifft antiker Schmuck auf einen verwandten Armreif von Elisabeth Treskow von 1972, korrespondiert ein zweihenkliger Becher aus Bergkristall (1. Jh.) mit einer Teekanne des Bauhauskünstlers Wilhelm Wagenfeld. Und ein Ensemble Kölner Töpferkunst aus mehreren Jahrhunderten wird hinterfangen von der fototapetenhaften "Vasenextase" von Anna und Bernhard Blume, ein psychedelischer Tanz mit einer Vase, der ein schlimmes Ende befürchten lässt. Stark sind auch die Themenräume. Ornamentale, verspielte Tiermosaike aus der Kölner Wolfstraße (3. Jh.) etwa bringt "Pas de deux" mit Jan Luykens vier bizarren barocken Kupferstichen zusammen, die quasi einen Belegungsplan der Arche Noah kolportierten. Auch der Spaß kommt in Kolumba also nicht zu kurz. Im Kapitel Schönheit sind weniger bekannte Kurzfilme von Rebecca Horn und etwa der Torso einer antiken Venusstatue zu sehen, der irgendwann mit dem Rücken nach oben zum Kölner Straßenbelag wurde. Von der Hohen Straße gelangte das Stück ins Römisch-Germanische. Traditionell sind die drei Turmräume bei Kolumba-Ausstellungen wahre Highlights. Diesmal sticht einer heraus: Mit wilder Geste gemalte Riesenformate von Dieter Krieg (der Zyklus "In der Leere ist ist nichts"), die als Todesmotiv ein umgekipptes Weinglas aus verschiedenen Perspektiven zeigen, umkreisen eines der kleinsten Exponate der Schau. Es handelt sich um das zwölf Zentimeter hohe, delikat durchbrochene Diatretglas aus dem vierten Jahrhundert - eines der Hauptstücke des Römisch-Germanischen. Gefunden wurde es am 1. April 1960 in Köln-Braunsfeld, was zunächst als Aprilscherz verstanden wurde. Die griechische Inschrift heißt übersetzt "Trinke, lebe schön immerdar". "Wir haben eine ziemlich kölsche Ausstellung gemacht", schmunzelten Kraus und Trier.« (Thomas Kliemann, Kölscher „Pas de deux“ Römisch-Germanisches Museum zu Gast im Museum Kolumba, Kölnische Rundschau, 14.9.2017)

»"Die Vier Gekrönten“ haben das Haus verlassen, auch das Elfenbeinkreuz und Lochners Veilchenmadonna fehlen. Kunstraub in Kolumba? Mitnichten. Vielmehr feiert das Kölner Diözesanmuseum (Kolumbastraße 4) seinen zehnten Geburtstag vom 19. bis 21. August bewusst im (fast) leeren Gebäude. Direktor Stefan Kraus hofft, „dass sich viele Besucher an das erinnern, was hier in zehn Jahren passiert ist, dass somit vor dem geistigen Auge Schicht für Schicht ein imaginäres Museum entsteht“. Dieses Privileg ist sonst ihm und seinen drei Mitkuratoren vorbehalten, „wenn wir nach dem Abbau der alten Jahresausstellung die neue Schau in die leeren Räume denken“. | Deren sanfter Sog wird nun besonders spürbar, denn mit viel Gefühl für rhythmische Harmonie hat Architekt Peter Zumthor hohe Turmräume, Kabinette und Säle komponiert, wobei letztere mit raffinertem Wandüberschneidungen Neugier auf den nächsten Raum wecken. „Die Entscheidung für den lichtgrauen Lehmputz an den Wänden war genau richtig“, resümiert Kraus. | Seelsorge im Museum | Noch immer sucht man „für jedes Werk den besten Ort“. Wobei ja nicht nur das Haus etliche Architekturpreise bekam. Als es 2013 vom Internationalen Kunstkritikerverband zum „Museum des Jahres“ gekürt wurde, galt dies auch dem immer wieder aufregend neu arrangierten Zusammenspiel von sakraler und profaner, alter und zeitgenössischer Kunst. | Für Kraus ist nicht die Zahl „von zuletzt stabil etwa 55 000 bis 60 000 Besuchern pro Jahr“ entscheidend, „sondern welche Intensität wir ihnen bieten können“. Auch aus Gesprächen weiß er, „dass hier schon mit den Mitteln eines Kunstmuseums Seelsorge stattfindet“. Nach wie vor sei man Kardinal Meisner dankbar, „der natürlich erkannt hat, dass hier nicht jedes Werk seinem Kunstgeschmack entsprach, der jedoch uns Kuratoren vertraut hat“. | Mehr als eine Ausstellung
Kraus ist seit 26 Jahren im Diözesanmuseum tätig (seit 2008 als Direktor). Und er erinnert sich, dass die wichtigsten modernen Stücke von Rebecca Horn, Richard Serra und vor allem Jannis Kounellis' Hauptwerk „Tragedia Civile“ in der Vorbereitungsphase der 90er Jahre erworben wurden. Heute ist der Ankaufsetat niedriger, doch in zehn Jahren Kolumba kamen auch mit Sponsorenhilfe etwa Michael Buthes documenta-Raum, der Heilig-Geist-Altar und Klangkunst von Bernhard Leitner hinzu. | Der nachhaltige Umgang mit der Sammlung ist immer noch oberstes Gebot in diesem „Museum der Nachdenklichkeit“ – nicht der Langeweile. Schon zur Hälfte der Jahresausstellung lädt man Künstler zu Interventionen ein. Überhaupt soll Kolumba „Werkstatt, Büro, Labor“ sein, was sich auch in den eben nur fast leeren Räumen des Jubiläums spiegelt. Eric Hattan, Marek Poliks und Eva Kot'átková mit den mental behinderten Künstlern von KAT 18 bringen an drei Orten Leben ins ungewohnt kahle Interieur. Außen ist an der Westfassade scheinbar Christo tätig gewesen, doch die verhüllende Plane schützt tatsächlich die allzu durchfeuchtete Wand. Innen freilich bleibt das nur 14 Köpfe zählende Team seiner Maxime treu: Nicht auf das zu schielen, was dem Publikum gefallen könnte, „sondern die Werke unserer Sammlung immer neu zum Klingen zu bringen“. Und Poliks Raumschiff sieht man dabei durchaus als Ansporn zum Flug in neue Sphären.« (Hartmut Wilmes, Zauber der Leere. Das Kölner Museum Kolumba beschert den Besuchern zum Jubiläum ein ungewohntes Erlebnis: Imaginäre Kunst an leeren Wänden, Kölnische Rundschau, 19.8.2017)

»Nichts stört, nichts verstellt den Blick, nicht einmal die Kunst selbst. Üblicherweise strömen die Menschen ins Museum, um Kunst zu bewundern. Im Kolumba ist an diesem Wochenende alles anders. Das Erzbischöflichen Diözesan-Museum ist zehn Jahre alt geworden – und zur Feier des Jubiläums wurde das Haus (fast) leer geräumt. Es blieben die Wände im lichtgrauen Lehmputz – und die faszinierende Wirkung der Stille. Lesen vor der Wand: Musuems Direktor Stefan Kraus verlas die Namen der Künsler, die sonst in dem Museum zu sehen sind. „Jede Ausstellung zeigt, wie sehr wie dieses Haus lieben,“ sagt er. (Foto: Lesen vor der Wand: Musuems Direktor Stefan Kraus verlas die Namen der Künsler, die sonst in dem Museum zu sehen sind. „Jede Ausstellung zeigt, wie sehr wie dieses Haus lieben,“ sagt er.) „Es erinnert einen daran, was der eigentliche ,Zweck’ von Kunst ist“, sagt Besucherin Christiane Pranzl: „Kontemplation, Nachdenken über das, was uns umgibt, die Dinge aus einer anderen Perspektive betrachten.“ Schon im ersten Stock stimmt die Installation von Eric Hattan darauf ein, dass an diesem Tag im Museum alles ein wenig „verkehrt“ zugeht: Von der Decke baumeln Stühle, an denen Schuhe und Kleidungsstücke kopfüber von der Decke hängen und beim Besucher das Gefühl von „oben“ und „unten“ verschwimmen lassen. In einem Raum eröffnen an die Wand projizierte Videos einen Blick hinter die Kulissen des Museums. Das war es aber weitgehend. Auf der zweiten Etage sind die teilweise meterhohen Räume völlig leer – nur durch die deckenhohen Panoramafenster mit einzigartigem Blick auf den Dom oder den Offenbachplatz wirft die Sonne ein einzigartiges Lichtspiel an die Wände. Normalerweise hängen dort Gemälde aus der Spätantike bis zur Gegenwart, wie Stefan Lochners „Madonna mit dem Veilchen“ oder die Muttergottes mit Kind von Jeremias Geisselbrunn. „Wundervoll“, findet Besucherin Karin Saalmann das ausgestellte „Nichts“. „Auch ohne Kunst Kunst“, schreibt ein Besucher ins Gästebuch. Anziehungspunkt im Obergeschoss war die raumschiffartige Klangmaschine „Interdictor“, die Marek Poliks am Samstagabend mit Sound bespielte. Die Architektur ohne Kunst auf sich wirken lassen zu können hatten sich viele Besucher schon zur Eröffnung des Gebäudes gewünscht, das der Schweizer Architekt Peter Zumthor entworfen hat, und das 2007 auf den Trümmern der ältesten Kölner Pfarrkirche St. Kolumba errichtet wurde. Die im Jahr 980 erbaute Kirche war im Zweiten Weltkrieg zerstört worden. Als das Jüdische Museum von Daniel Libeskind in Berlin eröffnet worden war, hatte es die ersten Monate leer gestanden und ebenfalls die Besucher begeistert.« (Julia Katharina Brand, Kölner entdecken fasziniert das fast vollständig geräumte Museum, in: Kölnische Rundschau, 21.8.2017 – Quelle: http://www.rundschau-online.de/28196980 ©2017)

»Auf dem Schreibtisch vor Nicole Baginski steht ein Kasten, in dem sechs Augenpaare liegen. Daneben stehen die üblichen Büro-Utensilien: Karteikasten, Stempelkarussell, Schreibtischlampe. Besucher nehmen gegenüber von Baginski Platz und wählen das Paar Augen aus, das ihnen am besten gefällt. Dann nimmt Baginski die Polaroid-Kamera und macht ein Foto von dem Gast, der sich die Filz-Augen vors Gesicht hält. Nachdem die Kamera das Polaroid ausgespuckt hat, klebt sie das Foto mit schwarzem Klebeband auf eine Karteikarte. Fertig ist der Besucherausweis des „Büros für Augen, Nase, Zunge, Mund, Herz, Hand und Maske“. „Der ist nur gültig so lange wie du im Büro bist“, sagt sie. „Danach muss er wieder abgeben werden.“ Baginski und sechs andere Künstler sind Teil dieser ungewöhnlichen Bürogemeinschaft, die sich im Kunstmuseum des Erzbistums zusammengefunden hat. Sie ist aus einem Projekt des Kunsthauses Kat 18 in der Südstadt und der Künstlerin Eva Kot’átková hervorgegangen. Die Tschechin hat bereits in Galerien in Prag, Berlin und Barcelona ausgestellt. Im Herbst 2016 war sie zwei Wochen im Kat 18 und arbeitete dort mit geistig behinderten Menschen. Da sich die Künstler oft mit dem eigenen Körper und seinen Einzelteilen beschäftigten, entwickelte Kot’átková mit ihnen die Idee für das Büro. Die Ergebnisse dieser Arbeit können noch bis zum 14. August im Kolumba-Museum besichtigt werden. Immer mal wieder werden auch die Künstler im Büro zu treffen sein. „Das Kolumba war schon Garten, Opernhaus, Werkstatt und Labor – jetzt ist es ein Büro“, sagt Museumsdirektor Stefan Kraus. „Wir wollen weg vom traditionellen Museumsbegriff. Das hier hat etwas Lebendiges, es hat viel Humor. Das ist schön.“ Und natürlich ist es kein Büro wie jedes andere. „Das hier ist ein außergewöhnliches Büro“, sagt Noemi Smolik, die die Ausstellung kuratiert hat.
Besucher strecken die Zunge raus – und bekommen ein Zungenportrait
Man erkennt das auf den ersten Blick: Von der elf Meter hohen Decke des Museums hängen Zungen, Nasen und Augen. Unter der langen Reihe von Zungen sitzt Patrick Henkel im schwarzen Anzug. Die Zungen hat er aus Stoff ausgeschnitten und mit rotem Edding beschriftet. „Zungen die lieben und ängstlich sind“ oder „Ich habe Zungen sehr gerne und die schwarzen Lippen“ ist da zu lesen. Wer sich an Henkels Schreibtisch setzt, muss die Zunge rausstrecken. Der Künstler fertigt dann ein Zungen-Porträt an. „Ich mag die Punkte auf der Zunge“ sagt er und überreicht das Bild. Und anders als beim Besucherausweis darf man das Porträt am Ende sogar mit nach Hause nehmen. (Dennis Scherer, Ein Büro der besonderen Art Ungewöhnliche Ausstellung im Kolumba Museum, Kölnische Rundschau, 2.6.2017)

»Die erste Warnung liegt auf dem Foyerboden: Zwei ölverschmierte Seevögel reisen in einer Glaskiste per Floß ins Totenreich, wobei ein Hanfseil wie eine Nabelschnur zu einem Glaskolben voll reinen Wassers führt. "Keine Kunst aber Tatsachen", nannte Felix Droese sein ökologisches Memento mori. So komplex und beklemmend ist (fast) die ganze Kolumba-Jahresschau, die unter dem Titel "Der rote Faden" Strategien des Erzählens in der bildenden Kunst erforscht. Als Keimzelle des Konzepts nennt Direktor Stefan Kraus die Chance, einen 20-teiligen Bildzyklus mit der Legende des heiligen Severin während der Sanierung der gleichnamigen Kölner Kirche als Leihgabe zu bekommen. Die Bilder des Meisters der Ursulalegende (um 1500) mäandern nun durchs lichte zweite Obergeschoss, zeigen Severin als Heiler der Verkrüppelten oder gar beim Erwecken eines Toten in auftrumpfender Erlöserrolle. Sieht man hier episch-ausschmückendes Erzählen, so verdichtet ein neu erworbenes Hauptwerk des Hauses ein vielschichtiges Drama in einem Motiv: Die oberrheinische Holzskulptur "Christus in der Rast" (um 1480) zeigt einen traurig-versonnenen Schmerzensmann und wirkt wie ein Requiem vor dem Tod. In der Passionsgeschichte Jesu (mit kostbarsten Stücken im "Armarium" erzählt) liegt der motivische Kern der Ausstellung - von hier aus wird mit blutigem Erzählfaden das weite Feld kreatürlichen Leidens vermessen. So beschwört Marcel Odenbachs lange nicht gezeigte Videoinstallation "In stillen Teichen lauern Krokodile" den Völkermord in Ruanda. Mit Szenen von Amok und Leichen, aber vor allem mit der Pogromhetze der Hutu gegen die Tutsi. Gleich um die Ecke scheint ein titelloses Keith-Haring-Bild genau diese Art von Keulenschlag-Propaganda zu zeigen. Solche blitzgescheit ausgelösten Assoziationen sieht man hier oft. Zwar lehnt Michael Buthes "Wanderer" inmitten des Severins-Zyklus ermattet an der Wand, doch längst begnügt sich Kolumba nicht mehr damit, alte und neue Kunst zu konfrontieren. Dafür sieht man Otto Dix' selten komplett gezeigten Grafik-Zyklus "Der Krieg", der in 50 Momentaufnahmen zerfetzte Soldatenkörper, Pferdekadaver oder Luftkriegspanik zeigt. Meditativer, aber ebenso eindringlich: Rebecca Horns "Berlin Earthbound", jene Installation mit "vogelfreiem" Koffer, in dem der rote Faden zum Davidstern wird. Daneben Kurt Bennings letztes Foto seines 1945 gefallenen Vaters, als Negativ im Leuchtkasten zum gespenstischen Zeitzeugnis vergrößert. Erst ganz oben, im Südturm, löst sich die Klammer der düsteren Themen. Hier inszeniert Anna Blume jene Fotoarbeiten, die sie mit ihrem 2011 gestorbenen Ehemann Bernhard Johannes schuf, fast wie einen Flügelaltar. In diesen ver-rückten Szenen laufen Dinge Amok: Vasen geraten in Ekstase, geometrische Formen krachen, von Geisterhand beschleunigt, in verdutzte Gesichter. Die Welt ist aus den Fugen. Mit diesen um Frühwerke ergänzten und von einer Bodenarbeit abgerundeten Schau setzt Kolumba den monografischen Schwerpunkt. Kraus räumt ein, dass man damit auch einer Kritik der anwesenden Anna Blume Rechnung trug, die einmal über die kümmerliche Präsenz des Künstlerpaars in einer Schau des Hauses klagte. Nun darf sie ihren luftigen Seiltanz zwischen Transzendenz und Nonsens, Heidegger und Dadaismus still genießen. Denn Vorträge lehnt sie ab: "Ich bin keine Theoretikerin oder Intellektuelle, sondern eine einfache Künstlerin." Von wegen! Eigentlich müsste man noch über die angedockten "Shopmovies" von Olaf Eggers und jene Lesenachmittage sprechen, die Ensemblemitglieder von Schauspiel Köln ab 26. 9. jeweils Samstags um 15 Uhr veranstalten. Doch halten wir lieber fest, dass Ausstellungen von Kolumba nicht nur Kunst zeigen, sondern selbst Kunstwerke sind.« (Hartmut Wilmes, Komplexe Kolumba-Jahresausstellung zum Thema Erzählen, in: Kölnische Rundschau, 15.9.2015)

»Überall wo Gebäude zerstört wurden, wird man wohl auch nach Verschütteten gesucht haben. Insofern ist die Trümmerlandschaft der im Zweiten Weltkrieg zerbombten Kölner Kirche St. Kolumba schon ein sehr gut gewählter metaphorischer Ort, um Leos Janáceks Liederzyklus „Tagebuch eines Verschollenen“ szenisch aufzuführen, wie es die Kölner Oper jetzt im nur einen Steinwurf von der Oper am Offenbachplatz entfernten Diözesanmuseum Kolumba gewagt hat. Die von dem Architekten Peter Zumthor auf geniale Weise umbaute Ruinenlandschaft der Kirche wird zum Schauplatz einer Liebesgeschichte. Mit der Zeit vergisst man auf den Stehplätzen des langen Steges, der durch die Ausgrabungsstätte führt, sogar die zugige und kühle Umgebung. Im Anschluss wurde das Publikum von einem Geiger die Treppen hinauf zum Raum 13 geführt, einem großen Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst, wo Bernhard Leitners klingende Ton-Raum-Komposition „Serpentinata“ sich um eine kleine Bühne in der Raummitte schlängelt, die zum Spielort des zweiten Teils dieses Doppelabends wird, der für Gustav Holsts Kammeroper „Savitri“ reserviert ist. Großer Applaus für den Doppelabend, der dem Kolumba-Konzept vom „lebenden Museum“ eine spannende Facette hinzufügt.« (Bernhard Hartmann, Verloren in Trümmern, in: Kölnische Rundschau, 01.06.15)

»Der „hoffentlich) letzte neue Spielort dieses außerhäusigen Daseins bringt sie und ihr Team nicht nur wieder in Sichtweite der Oper, sondern ist ihr auch sehr vertraut: Kolumba, wo ihr „viele Kunstwerke ans Herz gewachsen sind und sie oft vor dem einen oder anderen steht und sich „ihre Gedanken macht“. Am Samstag feiert im Kunstmuseum des Erzbistums nun ein Doppelabend Premiere: Janáceks Liederzyklus „Tagesbuch eines Verschollenen“ und „Savitri“ von Gustav Holst. Von Anfang an war klar, dass der Liederzyklus in der Ausgrabungsstätte aufgeführt wird: „Es ist ein Ort, der zerstört wurde und wir haben die Ehre, ihn wieder mit Musiktheater zu beleben“. Während sich die 120 Zuschauer in der Ausgrabungsstätte über den Steg verteilen müssen, ist im Raum im zweiten Stock des Museums Platz für Bestuhlung. Und die raumgreifende Klang-Installation „Serpentinata“ von Bernhard Leitner, bestehend aus PVC-Schläuchen und Lautsprechern, ist nicht nur großartige Kulisse. „Die Komposition wird vor Beginn von Holsts Musik zu hören sein“, erklärt Kolumba-Direktor Stefan Kraus, der sich aber bei der Auswahl von Werk und Raum bewusst herausgehalten hat. Auch wenn ihr „manchmal der Atem stockt, dass jemand an eines der Kunstwerke stößt“, ist für Birgit Meyer schon jetzt sicher, dass es wieder Operninszenierungen in Kolumba geben wird. Eine Idee, die bei Direktor Stefan Kraus auf Gegenliebe stößt.« (Axel Hill, Endlich wieder in Sichtweite, in: Kölnische Rundschau, 28.05.15)

»Der zentrale Satz dieser neuen Jahresausstellung von Kolumba, dem wunderbaren Kunstmuseum des Erzbistums Köln von Peter Zumthor, steht auf einem unscheinbaren Buchdeckel: "Findet mich das Glück?" Eine federleichte Frage sei das, meint Museumschef Stefan Kraus, "die uns aber an einen philosophischen Abgrund führt." Das Künstlerduo Fischli/ Weiss hat 2002 diese Anthologie naiver und essentieller Fragen herausgebracht. Für Kolumba, wo das Büchlein in einer Vitrine mit Werken weiterer künstlerischer Querdenker liegt, bietet es Steilvorlagen für das Jahresprogramm. Die Reihe "Philosophisches Gespräch" wird sich durch den Fragendschungel des Künstlerduos hangeln und die aktuelle Schau beleuchtet den Begriff der Freude in der weltlich-bildenden und sakralen Kunst, sucht nach den Momenten des Spielerischen, der Fantasie und Kreativität. | Kolumba leistet sich den seltenen Luxus, mit einem großen Thema ins Ausstellungsjahr zu gehen und zwölf Monate lang gemeinsam mit dem Besucher die exzellente eigene Sammlung zu befragen. "Denken", "Noli me tangiere", "Kunst und Liturgie", Zeigen, verhüllen, verbergen. Schrein" waren die Titel der letzten Jahre. Die neue Schau folgt dem Motto "Playing by heart", was übersetzt auswendig spielen bedeutet, im Sinne des Wortes aber etwas mit Herz zu tun hat und mit leidenschaftlicher Aneignung. | Es geht um die Schönheit der Natur und die Freude an Farbe und Klang, um die Welt der Märchen und Träume, der Fabelwesen und Wanderer zwischen den Welten. Der in diesen Wänden – der sakralen Kunst geschuldet – sonst dominante Passionsgedanke bleibt aussen vor, was nicht bedeutet, dass hier nur die heile Augenlust regiert. Erstmals klingt sich Kolumba spürbar in ein kirchenpolitisches Thema ein. Das Kölner Museum eröffnet den bundesweiten Veranstaltungsreigen, den die Deutsche Bischofskonferenz dem vor 50 Jahren beendeten Zweiten Vatikanischen Konzil widmet, dessen Abschlussdokument mit "Gaudium et Spes", Freude und Hoffnung überschrieben ist. Beides begegnet dem Betrachter der Ausstellung. Naive Andachtsbildchen von Anton Wierix aus der Zeit der Gegenreformation zeigen Jesus als emsigen Gärtner, der sich Zugang zu unseren Herzen verschafft. Teufel und Frau Welt belagern das Herz bis das göttliche Kind anklopfte und Licht hineinbrachte. Eine herzige Geschichte in Bildern. Ganz unsakral eine Wand, die sich der Natur von ihrer umspektakulären Seite nähert: Blätter von Joseph Beuys und Leiko Ikemura bis Andor Weininger und Paul Thek widmen sich Sträuchern und Unkraut, Insekten und kleinen Tieren. Es lohnt sich, diesen Zeichnungsdschungel zu durchstreifen. Auch Richard Tuttles gezeichnetes Reisetagebuch nebenan überzeugt. Die pure Lust an der Inszenierung beflügelte Manos Tsangaris zu seiner "Licht- und Luftmaschine", einer kleinen Bühne, die im abgedunkelten Armarium pfeift, jault und Lichtspiele veranstaltet. Hat nicht auch der gegenüber stehende mittelrheinische Hausaltar (um 1440) mit einer Verkündigungsszene etwas Bühnenhaftes, Theatralisches? Kolumba ist bekannt für raffinierte Gegenüberstellungen. Diese ist besonders geglückt. Woanders in der Ausstellung trifft Lochers "Madonna mit dem Veilchen" auf eine Kette mit gefalteten Metallelementen von Annamaria Zanella – die das Drama afrikanischer Schiffsflüchtlinge thematisiert. Der Siegburger Annoschrein (um 1183) wetteifert in seinem Goldglanz mit der strahlenden Wand von Jannis Kounellis. Michael Buthes düstere documenta-Installation "Die heilige Nacht Der Jungfräulichkeit" findet in einer Sammlung südamerikanischer Gnadenbilder ihre Dialogpartie. | Dem vor 20 Jahren gestorbenen Buthe, dem großen Märchenerzähler und für seine Farbexplosionen geliebten Maler ist ein Schwerpunkt mit exzellenten Arbeiten gewidmet. Sein "Wanderer", das dicke, vollgemalte Tagebuch 1979 bis 81 und sein fast sechs Meter breites expressives gelb-blau-rot-grünes Materialbild lohnen allein schon den Besuch der Schau. Aber es gibt weitere Entdeckungen. Der Kölner Bildhauer Heinz Breloh ist mit seinen organischen Terrakotta-Figuren sehr gut vertreten, der Maler Peter Tollens zeigt, wie sich in 20 Jahren seine Einstellung zur Farbe rot und zur Malerei gewandelt hat, und Bernhard Leitner schickt mit seiner akustischen Schlauch-Skulptur "Serpentinata" einen Klang auf Reisen. Freude und Hoffnung, das beflügelt hier Künstler wie Besucher.« (Thomas Kliemann, Findet mich das Glück? Das Kölner Museum Kolumba stellt in seiner Jahresausstellung die entscheidenden Fragen, in: Kölnische Rundschau, 13.9.2014, S.12)

»Das Kolumba Museum des Erzbistums Köln ist von Kunstkritikern zum "Museum des Jahres 2013" gekürt worden. Eine echte Überraschung ist die Kür des Kolumba nicht. Längst war die Ehrung des Museums durch die Kunstkritiker überfällig. Wer sich für einen breiten Kunst- und Kulturbegriff, aufregende Konzepte und attraktive Architektur interessiert, hatte Kolumba schon bald nach der Eröffnung im September 2007 auf der imaginären Bestenliste der Museen. Dass die deutsche Sektion des internationalen Kunstkritikerverbandes sich nun Kolumba aus der riesigen deutschen Museumslandschaft herausgepickt hat, bestätigt die Kenner und Liebhaber großartiger Ideen, Entwürfe und Realisierungen. Um dem Glanz von Kolumba gerecht zu werden, könnte man bei der Architektur des genialen Schweizer Architekten und Pritzker-Preisträgers des Jahres 2009, Peter Zumthor, beginnen. Der hatte für seinen Bau nicht nur einen komplizierten innerstädtischen Baugrundriss in der Kölner City zu bewältigen, sondern als Hypothek quasi im Keller auch noch die Überreste der spätgotischen Kirche St. Kolumba und Gottfried Böhms Kapelle "Madonna in den Trümmern". Zumthor hat diese historischen Bauten und Reste meisterhaft und mit einer ungeheuren Sensibilität für Materialien und Räume integriert. Diese Museumsarchitektur verknüpft Erlebnisqualität - bei der das Licht und die Proportionen entscheidende Rollen übernehmen - mit einer heute eher seltenen anzutreffenden architektonischen Demut, die das gebaute Museum als Hülle für die bildende Kunst versteht. Hier sind wir bei der Sammlung angelangt, die, was Qualität und Breite angeht, ihresgleichen sucht: Von der sakralen Skulptur bis zu Malerei der Gotik und zum 19. Jahrhundert, von mutig gesammelten Zeitgenossen bis zum Design reicht das Spektrum. Ein Fundus, aus dem heraus das Kolumba- Team erstaunliche Ausstellungen konzipiert hat, die Brücken zwischen sakraler und profaner, alter und neuer, erhabener und angewandter Kunst bauen. Belohnt wird mit dem Titel "Museum des Jahres" nicht zuletzt der Mut zu Themen wie das der aktuellen Jahresschau: Schrein. Da geht es um den Reiz des Verborgenen, die Ästhetik des Unsichtbaren, schließlich um eine auch jenseits des Religiösen liegende Spiritualität. Mitten im Kölner City-Trubel bietet sich Kolumba als Oase dafür an.« (Thomas Kliemann, Ehrung des Kolumba war längst überfällig, Kölnische Rundschau, 19.11.2013)

»Peter Zumthors noble Hülle für das Kunstmuseum des Erzbistums Köln wurde schon mit der "Großen Nike" des BDA oder dem Architekturpreis NRW belohnt. Gestern kürte die deutsche Sektion des internationalen Kunstkritikerverbands nun Kolumba zum "Museum des Jahres". Gerühmt wird der Dreiklang aus "hervorragender Architektur", "qualitätvoller Sammlung" und einer Ausstellungspolitik zugunsten von Künstlern, "die gemeinhin nur wenig Medieninteresse gewinnen". Museumsdirektor Stefan Kraus sieht die Auszeichnung "als unglaublich schöne Anerkennung für das gesamte Team, die wir sehr gern entgegennehmen - zumal wir damit überhaupt nicht gerechnet hatten". Kraus findet so auch sein Credo bestätigt, "dass die Museen viel stärker als bisher ihre Chance im Spezifischen suchen müssen". Da Kolumba mit Jahresausstellungen arbeitet, liegt die Messlatte hoch. "Das lag sie aber auch schon in den 90er Jahren, als wir zunächst die Notwendigkeit nachweisen wollten, über einen Neubau nachzudenken". Aus dem Ärmel wird hier nichts geschüttelt. "Wir lassen uns Zeit mit dem Entwickeln der Inhalte, und irgendwann merken wir schon, dass wir so ganz falsch nicht liegen. Aber entscheidend für das Gelingen einer Ausstellung sind jene zwei Wochen, wenn wir hier das Ganze mit vorbereiteten Werken inszenieren. Dann zeigt sich, ob wir eine ästhetische Dichten hinbekommen." Für die aktuelle Schau habe man mit dem Modell des Annoschreins geprobt, "ob dieser zentrale Raum überhaupt funktioniert". Aber Kraus nimmt das "Labor Kolumba" ernst: "Wenn wir nach einem Vierteljahr sähen, dass bestimmte Räume nicht tragen, würden wir das ändern." Was man übrigens in einem Fall schon getan hat... Zumthors Hülle sei für dieses Konzept wichtig, "andererseits stellt uns diese starke Architektur immer auch die Aufgabe, mit diesen Räumen richtig zu arbeiten." Kraus empfindet es gegenüber anderen Museen durchaus als Privileg, "dass wir die Chance hatten, intensiv mit dem Architekten zusammenzuarbeiten. Und die haben wir bis hin zu den Vitrinen genutzt". Von der Akzeptanz des Museums sei man überrascht, "da wir ja bewusst Beschriftungen und Kopfhörerführungen verweigern". Anfangs glaubte man, so "vielleicht 60 Prozent der Besucher erreichen zu können". Heute nimmt Stefan Kraus an, "dass von 100 Besuchern 95 beim Verlassen des Hauses sagen: Ich komme bald wieder vorbei". Was auch daran liegt, dass der kirchliche Träger "uns die nötige Freiheit für unser Konzept lässt". (Hartmut Wilmes, Kolumba in Köln ist Museum des Jahres, Kölnische Rundschau, 19.11.2013)

»Stefan Lochners "Madonna mit dem Veilchen" hat einen seltsamen Nachbarn bekommen: Schräg gegenüber hängt in ebenso markantem Hochformat ein Epitaph mit Jesus als Schmerzensmann, durch dessen Wundmale an den Füßen Weinrebe und Weizentrieb wachsen. Dieses bizarre Bild sollte die im Spätmittelalter zunehmend bezweifelte Transsubstantiationslehre beglaubigen. Danach behalten Brot und Wein im Moment der Wandlung zwar ihre äußere Form, werden tatsächlich aber zu Leib und Blut Christi. Diese Glaubensgewissheit besteht "trotz Natur und Augenschein", wie Thomas von Aquin konstatierte - ein Satz, den die aktuelle Schau im Diözesanmuseum als Titel nutzt. Sie begleitet den Eucharistischen Kongress, wobei Kunsthistorikerin Ulrike Surmann zwei Jahre lang "das theologisch verminte Gebiet" erforschte. Ihre mit rund 60 Exponaten (davon 38 hochkarätige Leihgaben) bestückte Ausstellung misst das komplexe Thema aus und fügt sich nahtlos ins intelligente Kolumba-Konzept. Das Zeitraster der Eucharistie-Schau endet im frühen 16. Jahrhundert. Ein Bild wie "Christus in der Kelter" (1510), in der sich Blut und Wein mischen, drückt keineswegs zimperlich die physische Realität der Wandlung aus. Auf anderen Tafeln ergießt sich das Blut der Lanzenwunde direkt in den Kelch. Die ältesten Exponate stammen aus dem 9. Jahrhundert, als das Bildverbot langsam bröckelte. Wobei Illustrationen anfangs oft Gebrauchsweisungen waren. Etwa im Raganaldus-Sakramentar aus Tours (844/45), das die Texte des Priesters für die Messe auflistet und die kirchliche Hierarchie visualisiert. "Ein solches Stück bekommen Sie nicht per E-Mail", erklärt Surmann. Empfehlungsbriefe des Kardinals sowie Sicherheitszusagen (klimatisierte, schadstofffreie und alarmgesicherte Panzerglasvitrine) waren auch nötig, um vom British Museum - "einer der härtesten Leihgeber der Welt" - eine Elfenbeintafel mit Szenen aus der Jugend Jesu zu erhalten. Das Entree gleicht mit den unter Glas aufgeschlagenen Schriften einer kostbaren Bibliothek. Spektakulär: Die Mettener Armenbibel, die den Moment der Wandlung opulent inszeniert. Der Himmel öffnet sich und offenbart den Auferstandenen, dessen Fußwunden den Weinkelch füllen und die Hostien benetzen. Prachtvoll vertreten sind auch die liturgischen Instrumente: goldene Monstranzen, Kelche und Vortragekreuze in filigraner Handwerkskunst. Vor allem aber glückt die Einbettung dieser Sonderschau in die Paul Thek gewidmete Jahresausstellung "Art is Liturgy". Etwa in Raum 13: Die prachtvolle Monstranz der Pfarrei St. Kolumba behauptet das Zentrum, zwei halbrund gebogene Epitaphe aus dem Erfurter Dom schmücken die Wände, und wie ein moderner Kommentar wirkt Theks drastisch-poetisches "Meatpiece with Butterflys". Auch wenn Kounellis' goldene Wand den Ablasstafeln des Mittelalters begegnet, funktioniert diese Verzahnung frappierend. Man sieht: Kunst ist Liturgie, kann aber mit gleichem Recht sagen: Liturgie ist Kunst. Wobei das Katalogbuch über seine erstklassigen Fotos und die kunsthistorischen Essays kühn hinausgreift. Johannes Schröer (Domradio) animierte Lyriker und Prosa-Autoren, ohne jede Vorgabe zum Thema Eucharistie zu schreiben. Das Ergebnis: höchst anregende, originelle Texte von Ulla Hahn, Norbert Scheuer, Arnold Stadler, Navid Kermani, Norbert Hummelt und Anna Katharina Hahn.« (Hartmut Wilmes, Wenn sich Blut und Wein mischen. Exquisite Kolumba-Ausstellung zum Thema Eucharistie, Kölnische Rundschau, 30. Mai 2013, S.9)

»Der Kampf des Mannes gegen den kleinen weißen Quader scheint aussichtslos zu sein: Er wendet ihn, dreht ihn, versucht ihn schließlich zu verschlingen. Hektisch verwackelte Fotos dokumentieren das verzweifelte Ringen von Bernhard Johannes Blume mit dem Artefakt. Was der unlängst verstorbene Querdenker damit sagen wollte? Präzise formuliert er es in der Bilderstrecke. Damit's auch jeder begreift steht daneben: "Die reine Vernunft ist als reine Vernunft ungenießbar." Das Kölner Museum Kolumba hat Blumes kleine Arbeit gleich an den Anfang der neuen Ausstellung ins Treppenhaus gehängt: Sie soll zeigen, dass "denken", so der Titel der Schau, nicht bierernst sein muss. Einer schönen Tradition folgend schließt das Museum Anfang September zwei Wochen, um sich anschließen neu sortiert, verwandelt zu präsentieren. Das Motto der inzwischen 5. Verwandlung heißt also "denken". Das Thema wird in allen erdenklichen Facetten durchdekliniert, wobei gleich zu Beginn Monika Bartholomé im Video eine für Künstler fundamentale Frage stellt. Da zeichnet eine Hand. Folgt sie dem Denken oder befördert sie das Denken? Oder verarbeitet sie Wahrgenommenes parallel mit dem Denken? In einem grandiosen Parcours wühlt sich Kolumba ins Thema hinein, geht mit einem Zyklus von Rune Mields unter dem Oberbegriff "Steinzeitgeometrie" zu den Ursprüngen der Zeichen zurück, um sich dann dem weiten Feld christlicher Symbolik zu nähern und schließlich zu Zeichen-Systemen zu gelangen, die die Welt erklären. Eindrucksvolles Beispiel ist der aus Fragmenten bestehende Schmuckfußboden aus St. Pankratius in Oberpleis (13. Jahrhundert), der dem Menschen seinen Platz im christlich-antiken Kosmos zuweist. Nicht weit davon erzählt ein Blockbuch aus dem 15. Jahrhundert, das durch die Sammlung Renate König ins Haus kam, von der Kunst des Erinnerns. Hoch komplizierte Piktogramme erläutern in diesem Buch über die Kunst des Erinnerns, von dem nur noch zwei Exemplare auf der Welt existieren, Zusammenhänge der Evangelien. Ein hundert Jahre später gemaltes Werk führt die "Arma Christi", die Leidenswerkzeuge der Passion, in authentischer Größe vor. Kolumba bietet faszinierende Denkräume wie den Südturm, der das Personal aus einem prächtigen Heilig-Geist-Altar aus der Mitte des 15. Jahrhunderts mit Bernhard Leitners "RaumReflexion" (2010) konfrontiert, die mittels Parabolschüsseln Klänge in den Raum schießt und gleichsam in der Luft zerplatzen lässt. Es gibt auch Denktische: Der Komponist Manos Tsangaris wird seinen "Implodierenden Schreibtisch" während der gesamten Ausstellungsdauer mit Material bespielen, Kolumba-Architekt Peter Zumthor zeigt auf einem anderen Tisch Skizzen zur Raumabfolge des in diesem Jahr mit den NRW-Architekturpreis ausgezeichneten Hauses. Er behandelt Räume wie Skulpturen, spielt mit ihnen, lädt sie durch Farbe emotional auf. Nichts anderes tut das Team von Kolumba mit seinen Ausstellungen. Brillant gelungen ist die Platzierung von Dieter Kriegs sechsteiligem Zyklus mit Riesenformaten, die mit großer Geste leere Weingläser zeigen und "In der Leere ist ist nichts" Wort für Wort aufscheinen lassen. Wird hier - stotternd - die Leere hinterfragt, arbeitet ein anderer Raum mit der Fülle der Eindrücke. Jannis Kounellis' "Bürgerliche Tragödie" mit Blattgoldwand, Öllampe und Garderobenständer bietet den Hintergrund für ein Feld von Altärchen und Devotionalien, die die private Frömmigkeit beleuchten. Von Konrad Klaphecks "Kleinem Liebesglück" über John Cages wunderbare Werkgruppe "Über die Oberfläche" bis zur "Bibliothek im Eis" von Lutz Fritsch und Farbspielen von Peter Tollens reicht das Spektrum. Was das mit "denken" zu tun hat? Darüber kann man in Kolumba schön nachdenken.« (Thomas Klieman, Reine Vernunft ist ungenießbar, Kölnische-Rundschau, 15.9.2011)

»Wer immer mit dem kleinen Heftchen in der Hand durch die unbeschrifteten Ausstellungen in Kolumba geht, verlässt sich – und das ist gewollt – zunächst ganz auf sein Auge. Ohne die Informationen auf den Etiketten kanalisiert zu sein, muss er selbst überlegen, welche Kunstrichtung, welche Zeit, welcher Künstler oder Stil das einzelne Kunstwerk bestimmt. Dann kann er freilich nachschlagen in den kleinen Begleitheft. Mit den Buntstiftzeichnungen von Philipp Wewerka wird das Spiel mit dem Sich-Entziehenden noch einen Schritt weiter getrieben, obwohl diesmal sogar ein schönes, buntes Begleitheft vorliegt. ... Es ist eine kindliche Welt, di in ihrer Starre geheimnisvoll verschlossen bleibt ... Als ob es in Tiefenschichten eine geheimnisvolle Verbindung gäbe. Und so passen die rund 20 Zeichnungen sicht in besonderer Weise in den großen Rahmen der gegenwärtigen Ausstellung 'Noli me tangere'.« (Heidrun Wirth, Verschlossene Buntstift-Welt. Kolumba zeigt die Studioausstellung 'Taurus' von Philipp Wewerka, Kölnische Rundschau, 9.6.2011, S.19)

»Manches bleibt (die rote Lochner-Madonna), manches ist radikal verändert (eine Wunderkammer, mit Vitrinen gefüllte Räume), manches gewinnt nur eben neue Bedeutung (Eisenplastik von Richard Serra). Die helle Zumthor-Architektur in Kolumba umfasst diese Kunst so ganzheitlich wie der Kölner Dom den Reliquienschrein der Heiligen Drei Könige. "Noli me tangere", das "Rühr-mich-nicht-an" aus dem Johannes-Evangelium, trägt weit durch die Kunst, die zwei Jahrtausende durchstreift, wenn wir das kleine römische Frauenköpfchen aus blauem Lapislazuli hinzunehmen, das in ein romanisches goldenes Kruzifix (Herimann- und Idakreuz) eingearbeitet wurde.
Berührung und Berührungsängste gab es damals nicht und scheint es auch heute nicht in Kolumba zu geben, wenn die verschiedensten Epochen der Kunst- und Religionsgeschichte lustvoll und mit hoher sinnlicher Präsenz gegeneinander antreten. Ob es eingangs die römisch-christlichen Ausgrabungen sind, die begleitet werden von einer Klanginstallation der "Tauben von Kolumba" (Bill Fontana), oder ob ganz oben als Endpunkt ein majestätisch einsames romanisches Holzkruzifix hängt in Kontrast zu einem bizarr-kitschig manierierten Sammelsurium von Toten-und anderen Köpfen, gesammelt von der kürzlich verstorbenen Krimhild Becker (1940-2010), die sich auch durch ihre fotografischen Arbeiten einen Namen gemacht hat. "Wie begegnen wir Krankheit und Tod? Auch das ist ja ein Noli me tangere", meint Stefan Kraus, der die Berührungen des Menschlichen und allzu Menschlichen (Jürgen Klauke oder Paul Thek mit seinem wund liegenden "Fishman" aus Latex) mit den sich entziehenden Berührungen durch eine spirituelle, mystische Kunst (die Goldwand von Kounellis, die Monochromien von Joseph Marioni) immer weiter treibt. Der Besucher aber geht mit einem Heftchen an den etikettenlosen Exponaten vorbei, und manchmal wird er schmunzeln, wenn er Reliquienmonstranzen neben gläsernen Ziervasen und Zierpokalen aus den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts antrifft oder wenn Kleinstskulpturen aus spitzen Binsenhalmen (Bethan Huws) mit Bergkristall und Perlen in sakralen Gold-und Silberschmiedearbeiten konkurrieren. Das Wunderbare: die simplen Materialien, ins rechte Licht gesetzt im Armarium, der eigentlichen "Schatzkammer" in Kolumba, können sich durchaus behaupten, und wer an Franziskus von Assisi denkt, liegt sicher auch nicht falsch. Wunderbar aber ist etwa der zwischen zwei hohe schlichte Eisenplatten eingespannte Schall und Klang mit dem Titel "pulsierende Stille", 2007, vom documenta- und biennaleerfahrenen Tanz- und Bewegungskünstler Bernard Leitner geschaffen. Sind es die einzelnen, extrem sparsam gehängten Exponate oder ist es eben diese kontrastreich provokative Präsentation, wo die Gegensätze doch immer wieder in einer unerwarteten Synthese aufgehoben werden? Sicher ist es auch das Gebäude, das immer wieder neu erscheint, sobald man den asketisch anmutenden "Pilgerweg" über die hellen Treppen zurückgelegt hat. Und wenn man von dem Panoramafenster aus zum Dom blickt, wird der ohne weiteres als weiteres Kunstwerk einbezogen, als hätten ihn die Kolumba-Macher extra auch noch dorthin gestellt.« (Heidrun Wirth, Bloß keine Berührungsängste, Kölnische Rundschau, 15.9.2010)

»Zum drittenmal haben Kraus und sein Kuratorenteam in Peter Zumthors asketisch-noblem Bau thematische Wechselspiele zwischen alter und zeitgenössischer Kunst inszeniert, die diesmal um Erinnerung und den Umgang mit dem historischen Erbe kreisen. „Kolumba will eine Reibungsfläche sein“, versichert Kraus, dem gleichwohl eine schlüssige Präsentation von hoher sinnlicher Qualität gelungen ist.… Die Pracht liturgischer Gewänder aus dem Besitz von Kardinal Frings, die frei im Raum platziert sind, kommt in raffinierter Ausleuchtung zur Geltung. Den Kontrast bieten Duane Michals Fotosequenz „Ein Versprechen an Gott“, nie gezeigte Modezeichnungen des jungen Paul Thek aus den 50er Jahren und zwei großformatige Fotos, die einen verzweifelt agierenden Jürgen Klauke in der Serie „Desaströses Ich“ zeigen. Beziehungsspielen vielfältiger Art begegnet man auch in den Sälen und Kabinetten der zweiten Etage. Dabei wird darauf geachtet, dass es in dem Parcours auch sparsam bestückte „Denkräume“ gibt, in denen Besucher Kraft schöpfen können. Schier überbordend ist nämlich die Fülle der Eindrücke, die Felix Droese mit "Der Grafenberg" auslöst; mehrere hundert Arbeiten, die er während seiner Zivildienstzeit im Landeskrankenhaus Düsseldorf-Grafenberg zusammengetragen hat. Kolumba präsentiert die Zeichnungen und Malereien, Medikamentenpackungen, persönlichen Notizen, Briefe, Fotos und andere Dinge mehr in eigens angefertigten Vitrinen, die auf einem Ensemble gebrauchter Tische ausgelegt sind. Was da an Schicksalen ausgebreitet ist, geht unter die Haut. Ruhe und Kontemplation bietet da der Anblick einer Ecce-Homo-Darstellung von Anfang des 16. Jahrhunderts. Zu den Konstanten gehört Stefan Lochners „Madonna mit dem Veilchen“, diesmal in Gegenüberstellung zu atelierfrischen Arbeiten von Bärbel Messmann. Eine sichere Hand bewiesen die Kuratoren bei der Bespielung des hohen Nordturmes, wo man die Blicke schweifen lassen kann zwischen einem Kruzifix von 1150, Joseph Beuys' Munitionskiste mit Fichtenstamm und Kurt Bennings Fotonegativ im Leuchtkasten, das den Vater zeigt, den er nicht kannte. Am dichtesten bestückt ist das Ostkabinett, wo der Ausstellungstitel so leicht fasslich wird, dass sich Erklärungen erübrigen. Ein Haufen alter Staubsauger und zahlreiche Gegenstände privaten Gebrauchs, Brillen, Schreibzeug, Besteck, Gebetbücher, die in Vitrinen aufgereiht sind, korrespondieren perfekt mit Kurt Bennings titelgebender Video-Arbeit. „Erinnerungsfähige Räume“ wollen die Kolumba-Kuratoren schaffen. Dem Andenken dienen auch Herbert Falkens „Asphaltfotos“, die man wie ein Andachtsbildchen mit nach Hause nehmen darf.« (Hanna Styrie, Schicksal der Staubsauger, Kölnische Rundschau, 13.9.2009)

»An einen Gottesdienst und den Empfang des Erzbischofs schließt sich am Nachmittag die 'Akademie zum Aschermittwoch‘ an, die diesmal unter dem Thema 'Der ästhetische Augenblick – Versuch über die Sprachlosigkeit' stand. Referent Stefan Kraus, der Direktor von Kolumba, dem Kunstmuseum des Erzbistums Köln, widmete sich darin jenem kurzen ersten Moment in der Begegnung mit Kunst, der den Betrachter ganz unmittelbar bewegen, ergreifen oder erschüttern kann.'Nirgends sind sich Künstler und Betrachter näher als in den Sekunden der reinen Erkenntnis', meint der Leiter von Kolumba, für den Intuition und Emotionalität in der Erfahrung eines Kunstwerks eine weit größere Rolle spielen als die Aneignung durch eine kunstwissenschaftliche Vermittlung.« (Hanna Styrie, Intimer Moment vor dem Werk, Kölnische Rundschau, 26.2.09)

»…Einmal jährlich, mit einem festritualisierten Paukenschlag Mitte September, soll ein neuer Zugriff auf den reichen Fundus die Besucher staunen lassen. Spannung aufzubauen zwischen ästhetischen Formen, die aufs erste völlig disparat erscheinen, auf den zweiten Blick aber seltsam gut miteinander harmonieren, das ist das Kolumba-Prinzip. So schmunzelt man über die Reihen gleichmäßig transluzider Trinkgläser (Malerei von Peter Dreher), die der wilden Kugelbahn gegenüber hängen. … Mystisch taucht aus dem Dunkel eine Maria mit dem Einhorn auf einer Nonnenstickerei aus dem 14. / 15. Jahrhundert auf, die eine Treibjagd darstellt, nicht weit davon naive Tierfiguren von Erich Boedeker, ähnlich den ägyptischen Begleitern ins Totenreich. Warum sollte das Kruzifix aus dem 12. Jahrhundert damit nicht korrespondieren? Und natürlich glitzert und funkelt dann wie gehabt der Kirchenschatz von St. Kolumba. … Und wenn schon alles mit allem korrespondiert, so sind es diesmal die zittrigen Regenstreifen auf dem Panoramafenster, die im Raum 10 die zart vergehenden Bildgitter des in Köln lebenden Malers Heiner Binding aufnehmen. In diesem Raum, der das ehemalige „Schaufenster“ vom Roncalliplatz weiterführt, wird sogar vierteljährlich gewechselt. … Doch zunächst geht es nun darum, die Augen sehen zu lehren, „dass das Leben wie eine Schale mit Kirschen“ ist auf einer Zeichnung von Paul Thek und dass diese Gefäße wie aus dem Nichts heraus greifbar werden in den edlen Schalen von Phil Sims. Dass Karl Burgeff sein Licht durch (gezeichnete) Blattformen schickt und dass das Licht der Renaissance unmittelbar daneben auf die naturalistische Pflanzenminiatur im Stundenbuch der Dona Isabel (um 1510) fällt. Dem Direktor Stefan Kraus und seinem Team geht es darum, „Räume zu schaffen, an die man sich erinnert“. Glaubwürdig.« (Heidrun Wirth, Kolumba schiebt jetzt eine laute Kugel, KR, 13.9.2008)

»'Für ein Haus zu sprechen, in dem man Schönheit erfahren kann', das versetzt Stefan Kraus in jene gehobene Gemütslage, die der neue Direktor von Kolumba auch an den Besuchern beobachten kann: 'Heiterkeit, Gelassenheit, Nachdenklichkeit' liest der 47jährige aus vielen Gesichtern. Diese seelische Resonanz von Kunst ist ihm wichtiger als die Zahl von 100.000 Gästen, die seit Eröffnung Mitte September 2007 das neue Haus besichtigt haben. Im Diözesanmuseum ticken die Uhren eben anders als in kommunalen Institutionen, wo eine Hausberufung die Ausnahme ist. Für Kolumba dagegen verstand es sich beinahe von selbst, dass am 1. Mai der langjährige Kurator Stefan Kraus die Nachfolge von Joachim M. Plotzek (65) antritt, der gestern in den Ruhestand verabschiedet wurde. Kraus bürge für 'Kontinuität, Qualität und die Identität des Hauses, das auch den christlichen Glauben bezeuge, so erklärte Generalvikar Dominik Schwaderlapp beim Pressegespräch.« (Annette Schröder, Was bleibt ist Heiterkeit. Stefan Kraus stellte sich als Direktor von Kolumba vor, Kölnische Rundschau, 23.4.2008)

»In der Tat bildet diese 'Bürgerliche Tragödie' mit den übrigen Exponaten im Nordkabinett von Kolumba ein Kraftfeld: mit dem Hausaltärchen von 1440, das vom Einbruch des Göttlichen ins bürgerliche Alltagsleben kündet. Mit Konrad Klaphecks Nähmaschinen-Bild, das als melancholische Verteidigung des Humanen in virtuell überdrehten Zeiten verstanden werden kann. Und mit Vasen und Kannen aus der Sammlung Schriefers, die in ihrer Formschönheit über die profane Funktion hinausweisen.« (Annette Schroeder, Kunst zwischen Himmel und Erde gespannt, Kölnische Rundschau, 26.9.2007, S.9)
 
www.kolumba.de

KOLUMBA :: Kritiken :: Kölnische Rundschau

»Unter den Museumsbesuchern in Kolumba fällt das junge Paar kaum auf. Erst als sich die Frau an einer der Wände abstützt und der Mann auf dem Boden liegt, wird offenbar, dass es sich um Esther Kläs handelt. Die Bildhauerin entwickelte für die Jahresausstellung „Das kleine Spiel zwischen dem Ich und dem Mir“, in der das Museum acht Choreographien zeigt, die einmal präsentierte Tanzperformance „TON“ mit Gustavo Gomes. | Die 39-jährige Künstlerin stemmt sich mit einer Entschlossenheit gegen die mächtigen Wände, als würde Peter Zumthors Architektur gleich über ihr zusammen stürzen. Gustavo Gomes steht ihr zur Seite, aber bald schon fallen die beiden wie ein knochenloses vierarmiges Weichtier in eine der Saalecken. Es ist ein Spiel von Kraft und Gegenkraft, das sich zwischen den Plastiken von Heinz Breloh fortsetzt, um in Raum 15, der wie eine Arena bespielt wird, in einem Kampf zwischen Mann und Frau zu münden. | Erstaunlich sind die Übergänge, in denen Aggression für kurze Momente zu Zärtlichkeit wird, bevor man wieder aneinander vorbei gleitet. Bewegung wird als eine Form des Haltens zum wiederkehrenden Thema dieser wuchtigen Choreographie. So hält sich das Paar in zarten Gesten, und wenn es dann miteinander ringt wie im Kampf, hält es sich wieder auf andere Weise. Sieger gibt es hier nicht, das Leben kennt nur ein „weiter so“. | Der angekündigte Dialog mit den Skulpturen des Museums findet nicht wie erwartet statt. Dafür wird hingegen das Museum selbst als Kunstwerk zur Bezugsgröße. Vor dem Hintergrund der verschwimmenden Helligkeit Kolumbas verwandeln sich die beiden schwarz gekleideten Körper in Zeichen und Chiffren, die in ihren angehaltenen Bewegungen Gestalten der Kunstgeschichte zitieren. Eine dichte, energetische Performance entwickelt sich, die den besonderen Ort effektvoll zu bespielen versteht. (Thomas Linden, Kraftvoll gegen die Wand. Esther Kläs schlug mit der Tanzperformance TON ein neues Kapitel der wachsenden Jahresausstellung in Kolumba auf, Kölnische Rundschau, 3.10.2020)

»Langer Anlauf, weiter Sprung. Weil man 2018 den Paarlauf mit dem Römisch-Germanischen Museum kollegial verlängerte, hatte Kolumba für seine Jahresausstellung die doppelte Zeit. Und die wurde wahrhaft nicht vergeudet. "1919 49 69ff. – Aufbrüche“ heißt die Schau, die vor allem den kreativen Neubeginn nach historischen Desastern oder Umbrüchen spiegelt. Und dabei fragt, inwieweit Krisen auch Geburtshelfer radikaler Kunst sind. Vieles bleibt bewusst doppelbödig: Victoria Bells mächtige Holzskulptur „Propeller für D“ würde wohl jedes Fluggerät zum Absturz bringen, liefert aber ein dynamisches Leitmotiv, das ganz oben von Marek Poliks‘ „Interdictor“ aufgenommen wird: eine spacige Klangkapsel, die ihre „Musik“ 640 Computerlüftern verdankt. Schöner Durchzug, den Direktor Stefan Kraus und sein Team da erzeugen. Norbert Prangenbergs benachbartes Riesengemälde scheint die unerhörten Töne des Geräts direkt in Farb- und Formwirbel zu übersetzen – nur ein Beispiel für das Kombinationsgeschick der Kolumba-Kuratoren. Letztere wagten eine Art Stresstest für die in den letzten 30 Jahren erworbene Sammlung des Hauses. Taugt sie dazu, das Umfeld der Weltkriegskatastrophen und den Umbruch nach 1968 auszuleuchten? Und ob. Walter Opheys „Dorfkirche“ oder Carlo Menses expressiv entfesselte „Messe“ beweisen, dass progressive Kunst um 1919 durchaus religiös grundiert war. Conrad Felixmüllers „Menschen über der Welt“ scheint dies auch nahezulegen, zeigt aber höchst politisch die Himmelfahrt von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Kirchliches und Profanes hat das Kunstmuseum des Erzbistums Köln stets klug konfrontiert, diesmal sehen sich Otto Dix‘ „Pferdekadaver“ oder Heinrich Hoerles Schockszenen aus der „Krüppel-Mappe“ einer „Beweinung Christi“ oder Adalbert Trillhaases Ölgemälde „Adam und Eva – Vertreibung aus dem Paradies“ gegenüber. Gleich nebenan öffnet sich eine Oase des Friedens, die den zu Unrecht lange vergessenen Walter Ophey würdigt. Die „Kölner Progressiven“ werden hier von Franz Wilhelm Seiwert angeführt (eindrucksvoll sein „Sich im Schmerz aufbäumendes Pferd“), und das Bauhaus vertritt nicht Walter Gropius, sondern Andor Weininger. Man sieht seine konstruktivistischen wie surrealistischen Werke – und hört ihn als Pianisten der Bauhaus-Band, deren Konzerte die Kräche der Künstler übertönen sollten. Bei Bruno Tauts gläsernen Bauten sind Utopien zu bestaunen, während die Sammlung von Werner Schriefers mit Babybadewannen oder Adler-Nähmaschinen für Bodenhaftung sorgt. Wirkt der eine oder andere Raum fast überkomplex, so genügt manchmal ganz wenig: Jermias Geisselbrunns bei Bombenangriffen auf Köln zerstörte Alabaster-Madonna konnte erst Anfang der 90er Jahre aus mehr als 70 Bruchstücken rekonstruiert werden. Und zu Otto Freundlichs daneben drapierten Gouachen ist zu sagen, dass der „entartete“ Künstler 1943 auf dem Transport ins Vernichtungslager Sobibor starb. Köln in Trümmern bezeugen nicht nur Tuschezeichnungen von Georg Meistermann, sondern auch der Schrein des hl. Albinus, an dem zwei Emailtäfelchen die Zerstörung einfangen. Die Kunst nach 1969 prägt dann eine Sehnsucht nach dem Fremden, nach Flucht aus der Nachkriegsenge wie in Michael Oppitz‘ Serie „Mythische Landschaften“. Und am schönsten wohl bei Michael Buthe: Seine „Heiligen Drei Könige“ reisen auf einer exotisch verwunschenen Barke aus Federn, Körben, Stühlen und Glühlampe. Es gibt noch viel mehr zu bestaunen – etwa eine Live-Restaurierung der Großformate von Dieter Krieg -, so dass man viel Zeit mitbringen sollte. Denn diese Mischung aus thematischer Tiefenschärfe und ästhetischer Finesse ist eine Rarität.
(Hartut Wilmes, Kunst im Dunstkreis der Katastrophen. Das Kölner Museum Kolumba brilliert mit seiner neuen Jahresausstellung, Kölnische Rundschau vom 14. September 2019)

»Diözesanbaumeister Martin Struck hat gemeinsam mit vielen Gutachtern nach rund eineinhalb Jahren die Lösung für das eindringende Wasser in das Kunstmuseum des Erzbistum Köln („Kolumba“) gefunden. Vermutlich ab Oktober soll das Haus nahe der Breite Straße wieder wasserdicht sein, dann verschwindet auch das Gerüst, es verhüllt seit Ende 2016 die Westfassade. „Es war eine schwierige Aufgabe“, sagt Struck. Ursprünglich wollte der Diözesanbaumeister die komplette 60 Zentimeter dicke Westwand mit einer wasserabweisenden und durchsichtigen Schutzschicht („Hydrophobierung“) überziehen lassen. Stattdessen trägt nun eine Firma eine modifizierte Hydrophobierung nur auf die sogenannten Lagerfugen auf. Vereinfacht gesagt entsteht die Lagerfuge, wenn die Ziegeln auf den Zement gelegt werden. „Ein Ingenieur meinte, die Fugen wären wie eine Autobahn, auf der das Wasser läuft“, sagt Struck. Zudem werden kleine Haarrisse ausgebessert. Das Kolumba gilt als Meisterwerk des Stararchitekten Peter Zumthor, auch die „New York Times“ lobte den 2007 eröffneten Neubau. Der Schweizer Architekt hatte sogar einen eigenen Ziegel namens „Kolumba“ entworfen, er kann wie berichtet 16 Liter Wasser pro Quadratmeter aufnehmen. Doch das reicht nicht, ab 2013 stellten Struck und Co. im Inneren Ausblütungen an Wänden fest, sie sind handtellergroß. In letzter Konsequenz bröckelte der Putz von den Wänden. Betroffen ist vor allem die Westwand, die den Witterungen besonders ausgesetzt ist. Struck sagt zu den Problemen: „Das Bauwerk ist so aufsehenerregend, weil es so noch nie gebaut worden ist. Dann läuft man schon mal Gefahr, eine Konstruktion zu wählen, die sich nicht bewährt.“ Also sollte die Westwand komplett abgedichtet werden, doch es zeigte sich, dass dieser Weg nicht zum Ziel führt. Vielmehr entdeckten die Gutachter ein anderes Problem beim Übergang zwischen Fuge und Stein. Laut Struck ist die Fuge zu hart, es entstehen Flankenabrisse, die Fuge wird also undicht und „zum Haupteinfallstor für Wasser“. Die naheliegende Idee: alte Fuge raus, neue rein. Aber auch hier haperte es, beim Entfernen hätten Ziegel beschädigt werden können, zudem legte Zumthor sein Veto beim neuen Spezialmörtel für die Fugen ein. „Er war ihm zu hell“, sagt Struck. Also gingen weitere Monate ins Land, bis die Lösung stand: Eine modifizierte Hydrophobierungs-Schicht wird ausschließlich auf die Fugen aufgebracht, und nicht auf den mehr als 20.000 Steinen der Westwand. Am Mittwoch hat Struck die Firma ausgewählt, in vier Wochen soll sie loslegen, weitere vier Wochen später fertig sein. Den Museumsbetrieb soll die Reparatur nicht beeinträchtigen. Die Kosten schätzt Struck auf 150.000 Euro. Möglicherweise holt sich das Erzbistum Geld vom Fugenhersteller wieder, allerdings könnten Entschädigungsansprüche verjährt sein. Struck sagt: „Das werden wir uns gut überlegen.“ Am liebsten würde er auch die Südseite schon nächstes Jahr ausbessern, dort könnte dasselbe Problem entstehen. Das Geld ist beantragt, aber noch nicht bewilligt. (Museum stoppt eindringendes Wasser: Kolumba macht die Fassade dicht, Kölnische Rundschau, 9.8.2018)

»Herrlich, wie Fred Astaire und Cyd Charisse schwungvoll ihren Pas de deux im Film "The Band Wagon" aufführen, während fein choreografiert im Hintergrund eine wilde Schießerei abgeht. Annamaria und Marzio Sala haben dieses filmische Fundstück subtil manipuliert. Dass "Fred", so heißt die Arbeit, am Anfang der neuen Jahresausstellung im Kölner Museum Kolumba den Besucher empfängt, ist kein Zufall. Denn die Schau heißt "Pas de deux" und ist doch viel mehr: Eine feinsinnige, artistische, mitunter akrobatische, in jedem Fall hoch spannende Durchdringung zweier Weltklassesammlungen. Der Untertitel deutet das an: "Römisch-Germanisches Kolumba". Für die Dauer eines Jahres führen beide Institutionen im attraktiven Zumthor-Bau ein hochkarätiges Pas de deux auf. Die anstehende Generalsanierung des Römisch-Germanischen Museums hatte vor drei Jahren zu Überlegungen über eine Kooperation beider Häuser geführt. Herausgekommen ist die Verschmelzung beider Sammlungen auf Zeit. Antike trifft auf eine Spanne, die vom Mittelalter bis zur Gegenwart reicht, was Parallelitäten und Korrespondenzen offenbart und zu anregenden Dialogen führt - seien sie thematisch gepolt oder von der Suche nach formalen Bezügen geleitet. Ein weites (Spiel-)Feld, das die Teams um Stefan Kraus (Kolumba) und Marcus Trier (Römisch-Germanisches) glänzend und sehr originell bearbeitet haben. Wer käme etwa darauf, eine der ersten Künstlergesten zeitlich ins dritte Jahrhundert und räumlich in Köln zu verorten, als ein Meister seine gläsernen Schälchen virtuos mit einem schwungvoll hingeworfenen bunten Glasfaden verzierte? Der "Kölner Schnörkel", Markenzeichen für Kölner Glaskunst, war erfunden. In der Ausstellung führt von diesem Schnörkel ein Weg zu einem Nürnberger Gebetbuch mit der "Wurzel Jesse", den "Ventilatoren" von Hann Trier, den "Smogblüten" von Werner Schiefers, Schreibversuchen seines fünfjährigen Töchterchens Alexandra und einer Passsage auf Laurence Sterns wilder literarischer Collage "Tristram Shandy". Ein abenteuerliches Crossover, dem man begeistert folgt. Der "Kölner Schnörkel" widerspricht dem Verdikt Heinrich Lützelers über den Kölner Humor: "Wenn man sagt 'Nu mach doch keene Baselemanes!!', so heißt das: lass das Getue, bleib mir mit der Verschnörkelung des Daseins weg! Der Kölner benimmt sich ausgesprochen unornamental..." Woanders in der Schau trifft antiker Schmuck auf einen verwandten Armreif von Elisabeth Treskow von 1972, korrespondiert ein zweihenkliger Becher aus Bergkristall (1. Jh.) mit einer Teekanne des Bauhauskünstlers Wilhelm Wagenfeld. Und ein Ensemble Kölner Töpferkunst aus mehreren Jahrhunderten wird hinterfangen von der fototapetenhaften "Vasenextase" von Anna und Bernhard Blume, ein psychedelischer Tanz mit einer Vase, der ein schlimmes Ende befürchten lässt. Stark sind auch die Themenräume. Ornamentale, verspielte Tiermosaike aus der Kölner Wolfstraße (3. Jh.) etwa bringt "Pas de deux" mit Jan Luykens vier bizarren barocken Kupferstichen zusammen, die quasi einen Belegungsplan der Arche Noah kolportierten. Auch der Spaß kommt in Kolumba also nicht zu kurz. Im Kapitel Schönheit sind weniger bekannte Kurzfilme von Rebecca Horn und etwa der Torso einer antiken Venusstatue zu sehen, der irgendwann mit dem Rücken nach oben zum Kölner Straßenbelag wurde. Von der Hohen Straße gelangte das Stück ins Römisch-Germanische. Traditionell sind die drei Turmräume bei Kolumba-Ausstellungen wahre Highlights. Diesmal sticht einer heraus: Mit wilder Geste gemalte Riesenformate von Dieter Krieg (der Zyklus "In der Leere ist ist nichts"), die als Todesmotiv ein umgekipptes Weinglas aus verschiedenen Perspektiven zeigen, umkreisen eines der kleinsten Exponate der Schau. Es handelt sich um das zwölf Zentimeter hohe, delikat durchbrochene Diatretglas aus dem vierten Jahrhundert - eines der Hauptstücke des Römisch-Germanischen. Gefunden wurde es am 1. April 1960 in Köln-Braunsfeld, was zunächst als Aprilscherz verstanden wurde. Die griechische Inschrift heißt übersetzt "Trinke, lebe schön immerdar". "Wir haben eine ziemlich kölsche Ausstellung gemacht", schmunzelten Kraus und Trier.« (Thomas Kliemann, Kölscher „Pas de deux“ Römisch-Germanisches Museum zu Gast im Museum Kolumba, Kölnische Rundschau, 14.9.2017)

»"Die Vier Gekrönten“ haben das Haus verlassen, auch das Elfenbeinkreuz und Lochners Veilchenmadonna fehlen. Kunstraub in Kolumba? Mitnichten. Vielmehr feiert das Kölner Diözesanmuseum (Kolumbastraße 4) seinen zehnten Geburtstag vom 19. bis 21. August bewusst im (fast) leeren Gebäude. Direktor Stefan Kraus hofft, „dass sich viele Besucher an das erinnern, was hier in zehn Jahren passiert ist, dass somit vor dem geistigen Auge Schicht für Schicht ein imaginäres Museum entsteht“. Dieses Privileg ist sonst ihm und seinen drei Mitkuratoren vorbehalten, „wenn wir nach dem Abbau der alten Jahresausstellung die neue Schau in die leeren Räume denken“. | Deren sanfter Sog wird nun besonders spürbar, denn mit viel Gefühl für rhythmische Harmonie hat Architekt Peter Zumthor hohe Turmräume, Kabinette und Säle komponiert, wobei letztere mit raffinertem Wandüberschneidungen Neugier auf den nächsten Raum wecken. „Die Entscheidung für den lichtgrauen Lehmputz an den Wänden war genau richtig“, resümiert Kraus. | Seelsorge im Museum | Noch immer sucht man „für jedes Werk den besten Ort“. Wobei ja nicht nur das Haus etliche Architekturpreise bekam. Als es 2013 vom Internationalen Kunstkritikerverband zum „Museum des Jahres“ gekürt wurde, galt dies auch dem immer wieder aufregend neu arrangierten Zusammenspiel von sakraler und profaner, alter und zeitgenössischer Kunst. | Für Kraus ist nicht die Zahl „von zuletzt stabil etwa 55 000 bis 60 000 Besuchern pro Jahr“ entscheidend, „sondern welche Intensität wir ihnen bieten können“. Auch aus Gesprächen weiß er, „dass hier schon mit den Mitteln eines Kunstmuseums Seelsorge stattfindet“. Nach wie vor sei man Kardinal Meisner dankbar, „der natürlich erkannt hat, dass hier nicht jedes Werk seinem Kunstgeschmack entsprach, der jedoch uns Kuratoren vertraut hat“. | Mehr als eine Ausstellung
Kraus ist seit 26 Jahren im Diözesanmuseum tätig (seit 2008 als Direktor). Und er erinnert sich, dass die wichtigsten modernen Stücke von Rebecca Horn, Richard Serra und vor allem Jannis Kounellis' Hauptwerk „Tragedia Civile“ in der Vorbereitungsphase der 90er Jahre erworben wurden. Heute ist der Ankaufsetat niedriger, doch in zehn Jahren Kolumba kamen auch mit Sponsorenhilfe etwa Michael Buthes documenta-Raum, der Heilig-Geist-Altar und Klangkunst von Bernhard Leitner hinzu. | Der nachhaltige Umgang mit der Sammlung ist immer noch oberstes Gebot in diesem „Museum der Nachdenklichkeit“ – nicht der Langeweile. Schon zur Hälfte der Jahresausstellung lädt man Künstler zu Interventionen ein. Überhaupt soll Kolumba „Werkstatt, Büro, Labor“ sein, was sich auch in den eben nur fast leeren Räumen des Jubiläums spiegelt. Eric Hattan, Marek Poliks und Eva Kot'átková mit den mental behinderten Künstlern von KAT 18 bringen an drei Orten Leben ins ungewohnt kahle Interieur. Außen ist an der Westfassade scheinbar Christo tätig gewesen, doch die verhüllende Plane schützt tatsächlich die allzu durchfeuchtete Wand. Innen freilich bleibt das nur 14 Köpfe zählende Team seiner Maxime treu: Nicht auf das zu schielen, was dem Publikum gefallen könnte, „sondern die Werke unserer Sammlung immer neu zum Klingen zu bringen“. Und Poliks Raumschiff sieht man dabei durchaus als Ansporn zum Flug in neue Sphären.« (Hartmut Wilmes, Zauber der Leere. Das Kölner Museum Kolumba beschert den Besuchern zum Jubiläum ein ungewohntes Erlebnis: Imaginäre Kunst an leeren Wänden, Kölnische Rundschau, 19.8.2017)

»Nichts stört, nichts verstellt den Blick, nicht einmal die Kunst selbst. Üblicherweise strömen die Menschen ins Museum, um Kunst zu bewundern. Im Kolumba ist an diesem Wochenende alles anders. Das Erzbischöflichen Diözesan-Museum ist zehn Jahre alt geworden – und zur Feier des Jubiläums wurde das Haus (fast) leer geräumt. Es blieben die Wände im lichtgrauen Lehmputz – und die faszinierende Wirkung der Stille. Lesen vor der Wand: Musuems Direktor Stefan Kraus verlas die Namen der Künsler, die sonst in dem Museum zu sehen sind. „Jede Ausstellung zeigt, wie sehr wie dieses Haus lieben,“ sagt er. (Foto: Lesen vor der Wand: Musuems Direktor Stefan Kraus verlas die Namen der Künsler, die sonst in dem Museum zu sehen sind. „Jede Ausstellung zeigt, wie sehr wie dieses Haus lieben,“ sagt er.) „Es erinnert einen daran, was der eigentliche ,Zweck’ von Kunst ist“, sagt Besucherin Christiane Pranzl: „Kontemplation, Nachdenken über das, was uns umgibt, die Dinge aus einer anderen Perspektive betrachten.“ Schon im ersten Stock stimmt die Installation von Eric Hattan darauf ein, dass an diesem Tag im Museum alles ein wenig „verkehrt“ zugeht: Von der Decke baumeln Stühle, an denen Schuhe und Kleidungsstücke kopfüber von der Decke hängen und beim Besucher das Gefühl von „oben“ und „unten“ verschwimmen lassen. In einem Raum eröffnen an die Wand projizierte Videos einen Blick hinter die Kulissen des Museums. Das war es aber weitgehend. Auf der zweiten Etage sind die teilweise meterhohen Räume völlig leer – nur durch die deckenhohen Panoramafenster mit einzigartigem Blick auf den Dom oder den Offenbachplatz wirft die Sonne ein einzigartiges Lichtspiel an die Wände. Normalerweise hängen dort Gemälde aus der Spätantike bis zur Gegenwart, wie Stefan Lochners „Madonna mit dem Veilchen“ oder die Muttergottes mit Kind von Jeremias Geisselbrunn. „Wundervoll“, findet Besucherin Karin Saalmann das ausgestellte „Nichts“. „Auch ohne Kunst Kunst“, schreibt ein Besucher ins Gästebuch. Anziehungspunkt im Obergeschoss war die raumschiffartige Klangmaschine „Interdictor“, die Marek Poliks am Samstagabend mit Sound bespielte. Die Architektur ohne Kunst auf sich wirken lassen zu können hatten sich viele Besucher schon zur Eröffnung des Gebäudes gewünscht, das der Schweizer Architekt Peter Zumthor entworfen hat, und das 2007 auf den Trümmern der ältesten Kölner Pfarrkirche St. Kolumba errichtet wurde. Die im Jahr 980 erbaute Kirche war im Zweiten Weltkrieg zerstört worden. Als das Jüdische Museum von Daniel Libeskind in Berlin eröffnet worden war, hatte es die ersten Monate leer gestanden und ebenfalls die Besucher begeistert.« (Julia Katharina Brand, Kölner entdecken fasziniert das fast vollständig geräumte Museum, in: Kölnische Rundschau, 21.8.2017 – Quelle: http://www.rundschau-online.de/28196980 ©2017)

»Auf dem Schreibtisch vor Nicole Baginski steht ein Kasten, in dem sechs Augenpaare liegen. Daneben stehen die üblichen Büro-Utensilien: Karteikasten, Stempelkarussell, Schreibtischlampe. Besucher nehmen gegenüber von Baginski Platz und wählen das Paar Augen aus, das ihnen am besten gefällt. Dann nimmt Baginski die Polaroid-Kamera und macht ein Foto von dem Gast, der sich die Filz-Augen vors Gesicht hält. Nachdem die Kamera das Polaroid ausgespuckt hat, klebt sie das Foto mit schwarzem Klebeband auf eine Karteikarte. Fertig ist der Besucherausweis des „Büros für Augen, Nase, Zunge, Mund, Herz, Hand und Maske“. „Der ist nur gültig so lange wie du im Büro bist“, sagt sie. „Danach muss er wieder abgeben werden.“ Baginski und sechs andere Künstler sind Teil dieser ungewöhnlichen Bürogemeinschaft, die sich im Kunstmuseum des Erzbistums zusammengefunden hat. Sie ist aus einem Projekt des Kunsthauses Kat 18 in der Südstadt und der Künstlerin Eva Kot’átková hervorgegangen. Die Tschechin hat bereits in Galerien in Prag, Berlin und Barcelona ausgestellt. Im Herbst 2016 war sie zwei Wochen im Kat 18 und arbeitete dort mit geistig behinderten Menschen. Da sich die Künstler oft mit dem eigenen Körper und seinen Einzelteilen beschäftigten, entwickelte Kot’átková mit ihnen die Idee für das Büro. Die Ergebnisse dieser Arbeit können noch bis zum 14. August im Kolumba-Museum besichtigt werden. Immer mal wieder werden auch die Künstler im Büro zu treffen sein. „Das Kolumba war schon Garten, Opernhaus, Werkstatt und Labor – jetzt ist es ein Büro“, sagt Museumsdirektor Stefan Kraus. „Wir wollen weg vom traditionellen Museumsbegriff. Das hier hat etwas Lebendiges, es hat viel Humor. Das ist schön.“ Und natürlich ist es kein Büro wie jedes andere. „Das hier ist ein außergewöhnliches Büro“, sagt Noemi Smolik, die die Ausstellung kuratiert hat.
Besucher strecken die Zunge raus – und bekommen ein Zungenportrait
Man erkennt das auf den ersten Blick: Von der elf Meter hohen Decke des Museums hängen Zungen, Nasen und Augen. Unter der langen Reihe von Zungen sitzt Patrick Henkel im schwarzen Anzug. Die Zungen hat er aus Stoff ausgeschnitten und mit rotem Edding beschriftet. „Zungen die lieben und ängstlich sind“ oder „Ich habe Zungen sehr gerne und die schwarzen Lippen“ ist da zu lesen. Wer sich an Henkels Schreibtisch setzt, muss die Zunge rausstrecken. Der Künstler fertigt dann ein Zungen-Porträt an. „Ich mag die Punkte auf der Zunge“ sagt er und überreicht das Bild. Und anders als beim Besucherausweis darf man das Porträt am Ende sogar mit nach Hause nehmen. (Dennis Scherer, Ein Büro der besonderen Art Ungewöhnliche Ausstellung im Kolumba Museum, Kölnische Rundschau, 2.6.2017)

»Die erste Warnung liegt auf dem Foyerboden: Zwei ölverschmierte Seevögel reisen in einer Glaskiste per Floß ins Totenreich, wobei ein Hanfseil wie eine Nabelschnur zu einem Glaskolben voll reinen Wassers führt. "Keine Kunst aber Tatsachen", nannte Felix Droese sein ökologisches Memento mori. So komplex und beklemmend ist (fast) die ganze Kolumba-Jahresschau, die unter dem Titel "Der rote Faden" Strategien des Erzählens in der bildenden Kunst erforscht. Als Keimzelle des Konzepts nennt Direktor Stefan Kraus die Chance, einen 20-teiligen Bildzyklus mit der Legende des heiligen Severin während der Sanierung der gleichnamigen Kölner Kirche als Leihgabe zu bekommen. Die Bilder des Meisters der Ursulalegende (um 1500) mäandern nun durchs lichte zweite Obergeschoss, zeigen Severin als Heiler der Verkrüppelten oder gar beim Erwecken eines Toten in auftrumpfender Erlöserrolle. Sieht man hier episch-ausschmückendes Erzählen, so verdichtet ein neu erworbenes Hauptwerk des Hauses ein vielschichtiges Drama in einem Motiv: Die oberrheinische Holzskulptur "Christus in der Rast" (um 1480) zeigt einen traurig-versonnenen Schmerzensmann und wirkt wie ein Requiem vor dem Tod. In der Passionsgeschichte Jesu (mit kostbarsten Stücken im "Armarium" erzählt) liegt der motivische Kern der Ausstellung - von hier aus wird mit blutigem Erzählfaden das weite Feld kreatürlichen Leidens vermessen. So beschwört Marcel Odenbachs lange nicht gezeigte Videoinstallation "In stillen Teichen lauern Krokodile" den Völkermord in Ruanda. Mit Szenen von Amok und Leichen, aber vor allem mit der Pogromhetze der Hutu gegen die Tutsi. Gleich um die Ecke scheint ein titelloses Keith-Haring-Bild genau diese Art von Keulenschlag-Propaganda zu zeigen. Solche blitzgescheit ausgelösten Assoziationen sieht man hier oft. Zwar lehnt Michael Buthes "Wanderer" inmitten des Severins-Zyklus ermattet an der Wand, doch längst begnügt sich Kolumba nicht mehr damit, alte und neue Kunst zu konfrontieren. Dafür sieht man Otto Dix' selten komplett gezeigten Grafik-Zyklus "Der Krieg", der in 50 Momentaufnahmen zerfetzte Soldatenkörper, Pferdekadaver oder Luftkriegspanik zeigt. Meditativer, aber ebenso eindringlich: Rebecca Horns "Berlin Earthbound", jene Installation mit "vogelfreiem" Koffer, in dem der rote Faden zum Davidstern wird. Daneben Kurt Bennings letztes Foto seines 1945 gefallenen Vaters, als Negativ im Leuchtkasten zum gespenstischen Zeitzeugnis vergrößert. Erst ganz oben, im Südturm, löst sich die Klammer der düsteren Themen. Hier inszeniert Anna Blume jene Fotoarbeiten, die sie mit ihrem 2011 gestorbenen Ehemann Bernhard Johannes schuf, fast wie einen Flügelaltar. In diesen ver-rückten Szenen laufen Dinge Amok: Vasen geraten in Ekstase, geometrische Formen krachen, von Geisterhand beschleunigt, in verdutzte Gesichter. Die Welt ist aus den Fugen. Mit diesen um Frühwerke ergänzten und von einer Bodenarbeit abgerundeten Schau setzt Kolumba den monografischen Schwerpunkt. Kraus räumt ein, dass man damit auch einer Kritik der anwesenden Anna Blume Rechnung trug, die einmal über die kümmerliche Präsenz des Künstlerpaars in einer Schau des Hauses klagte. Nun darf sie ihren luftigen Seiltanz zwischen Transzendenz und Nonsens, Heidegger und Dadaismus still genießen. Denn Vorträge lehnt sie ab: "Ich bin keine Theoretikerin oder Intellektuelle, sondern eine einfache Künstlerin." Von wegen! Eigentlich müsste man noch über die angedockten "Shopmovies" von Olaf Eggers und jene Lesenachmittage sprechen, die Ensemblemitglieder von Schauspiel Köln ab 26. 9. jeweils Samstags um 15 Uhr veranstalten. Doch halten wir lieber fest, dass Ausstellungen von Kolumba nicht nur Kunst zeigen, sondern selbst Kunstwerke sind.« (Hartmut Wilmes, Komplexe Kolumba-Jahresausstellung zum Thema Erzählen, in: Kölnische Rundschau, 15.9.2015)

»Überall wo Gebäude zerstört wurden, wird man wohl auch nach Verschütteten gesucht haben. Insofern ist die Trümmerlandschaft der im Zweiten Weltkrieg zerbombten Kölner Kirche St. Kolumba schon ein sehr gut gewählter metaphorischer Ort, um Leos Janáceks Liederzyklus „Tagebuch eines Verschollenen“ szenisch aufzuführen, wie es die Kölner Oper jetzt im nur einen Steinwurf von der Oper am Offenbachplatz entfernten Diözesanmuseum Kolumba gewagt hat. Die von dem Architekten Peter Zumthor auf geniale Weise umbaute Ruinenlandschaft der Kirche wird zum Schauplatz einer Liebesgeschichte. Mit der Zeit vergisst man auf den Stehplätzen des langen Steges, der durch die Ausgrabungsstätte führt, sogar die zugige und kühle Umgebung. Im Anschluss wurde das Publikum von einem Geiger die Treppen hinauf zum Raum 13 geführt, einem großen Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst, wo Bernhard Leitners klingende Ton-Raum-Komposition „Serpentinata“ sich um eine kleine Bühne in der Raummitte schlängelt, die zum Spielort des zweiten Teils dieses Doppelabends wird, der für Gustav Holsts Kammeroper „Savitri“ reserviert ist. Großer Applaus für den Doppelabend, der dem Kolumba-Konzept vom „lebenden Museum“ eine spannende Facette hinzufügt.« (Bernhard Hartmann, Verloren in Trümmern, in: Kölnische Rundschau, 01.06.15)

»Der „hoffentlich) letzte neue Spielort dieses außerhäusigen Daseins bringt sie und ihr Team nicht nur wieder in Sichtweite der Oper, sondern ist ihr auch sehr vertraut: Kolumba, wo ihr „viele Kunstwerke ans Herz gewachsen sind und sie oft vor dem einen oder anderen steht und sich „ihre Gedanken macht“. Am Samstag feiert im Kunstmuseum des Erzbistums nun ein Doppelabend Premiere: Janáceks Liederzyklus „Tagesbuch eines Verschollenen“ und „Savitri“ von Gustav Holst. Von Anfang an war klar, dass der Liederzyklus in der Ausgrabungsstätte aufgeführt wird: „Es ist ein Ort, der zerstört wurde und wir haben die Ehre, ihn wieder mit Musiktheater zu beleben“. Während sich die 120 Zuschauer in der Ausgrabungsstätte über den Steg verteilen müssen, ist im Raum im zweiten Stock des Museums Platz für Bestuhlung. Und die raumgreifende Klang-Installation „Serpentinata“ von Bernhard Leitner, bestehend aus PVC-Schläuchen und Lautsprechern, ist nicht nur großartige Kulisse. „Die Komposition wird vor Beginn von Holsts Musik zu hören sein“, erklärt Kolumba-Direktor Stefan Kraus, der sich aber bei der Auswahl von Werk und Raum bewusst herausgehalten hat. Auch wenn ihr „manchmal der Atem stockt, dass jemand an eines der Kunstwerke stößt“, ist für Birgit Meyer schon jetzt sicher, dass es wieder Operninszenierungen in Kolumba geben wird. Eine Idee, die bei Direktor Stefan Kraus auf Gegenliebe stößt.« (Axel Hill, Endlich wieder in Sichtweite, in: Kölnische Rundschau, 28.05.15)

»Der zentrale Satz dieser neuen Jahresausstellung von Kolumba, dem wunderbaren Kunstmuseum des Erzbistums Köln von Peter Zumthor, steht auf einem unscheinbaren Buchdeckel: "Findet mich das Glück?" Eine federleichte Frage sei das, meint Museumschef Stefan Kraus, "die uns aber an einen philosophischen Abgrund führt." Das Künstlerduo Fischli/ Weiss hat 2002 diese Anthologie naiver und essentieller Fragen herausgebracht. Für Kolumba, wo das Büchlein in einer Vitrine mit Werken weiterer künstlerischer Querdenker liegt, bietet es Steilvorlagen für das Jahresprogramm. Die Reihe "Philosophisches Gespräch" wird sich durch den Fragendschungel des Künstlerduos hangeln und die aktuelle Schau beleuchtet den Begriff der Freude in der weltlich-bildenden und sakralen Kunst, sucht nach den Momenten des Spielerischen, der Fantasie und Kreativität. | Kolumba leistet sich den seltenen Luxus, mit einem großen Thema ins Ausstellungsjahr zu gehen und zwölf Monate lang gemeinsam mit dem Besucher die exzellente eigene Sammlung zu befragen. "Denken", "Noli me tangiere", "Kunst und Liturgie", Zeigen, verhüllen, verbergen. Schrein" waren die Titel der letzten Jahre. Die neue Schau folgt dem Motto "Playing by heart", was übersetzt auswendig spielen bedeutet, im Sinne des Wortes aber etwas mit Herz zu tun hat und mit leidenschaftlicher Aneignung. | Es geht um die Schönheit der Natur und die Freude an Farbe und Klang, um die Welt der Märchen und Träume, der Fabelwesen und Wanderer zwischen den Welten. Der in diesen Wänden – der sakralen Kunst geschuldet – sonst dominante Passionsgedanke bleibt aussen vor, was nicht bedeutet, dass hier nur die heile Augenlust regiert. Erstmals klingt sich Kolumba spürbar in ein kirchenpolitisches Thema ein. Das Kölner Museum eröffnet den bundesweiten Veranstaltungsreigen, den die Deutsche Bischofskonferenz dem vor 50 Jahren beendeten Zweiten Vatikanischen Konzil widmet, dessen Abschlussdokument mit "Gaudium et Spes", Freude und Hoffnung überschrieben ist. Beides begegnet dem Betrachter der Ausstellung. Naive Andachtsbildchen von Anton Wierix aus der Zeit der Gegenreformation zeigen Jesus als emsigen Gärtner, der sich Zugang zu unseren Herzen verschafft. Teufel und Frau Welt belagern das Herz bis das göttliche Kind anklopfte und Licht hineinbrachte. Eine herzige Geschichte in Bildern. Ganz unsakral eine Wand, die sich der Natur von ihrer umspektakulären Seite nähert: Blätter von Joseph Beuys und Leiko Ikemura bis Andor Weininger und Paul Thek widmen sich Sträuchern und Unkraut, Insekten und kleinen Tieren. Es lohnt sich, diesen Zeichnungsdschungel zu durchstreifen. Auch Richard Tuttles gezeichnetes Reisetagebuch nebenan überzeugt. Die pure Lust an der Inszenierung beflügelte Manos Tsangaris zu seiner "Licht- und Luftmaschine", einer kleinen Bühne, die im abgedunkelten Armarium pfeift, jault und Lichtspiele veranstaltet. Hat nicht auch der gegenüber stehende mittelrheinische Hausaltar (um 1440) mit einer Verkündigungsszene etwas Bühnenhaftes, Theatralisches? Kolumba ist bekannt für raffinierte Gegenüberstellungen. Diese ist besonders geglückt. Woanders in der Ausstellung trifft Lochers "Madonna mit dem Veilchen" auf eine Kette mit gefalteten Metallelementen von Annamaria Zanella – die das Drama afrikanischer Schiffsflüchtlinge thematisiert. Der Siegburger Annoschrein (um 1183) wetteifert in seinem Goldglanz mit der strahlenden Wand von Jannis Kounellis. Michael Buthes düstere documenta-Installation "Die heilige Nacht Der Jungfräulichkeit" findet in einer Sammlung südamerikanischer Gnadenbilder ihre Dialogpartie. | Dem vor 20 Jahren gestorbenen Buthe, dem großen Märchenerzähler und für seine Farbexplosionen geliebten Maler ist ein Schwerpunkt mit exzellenten Arbeiten gewidmet. Sein "Wanderer", das dicke, vollgemalte Tagebuch 1979 bis 81 und sein fast sechs Meter breites expressives gelb-blau-rot-grünes Materialbild lohnen allein schon den Besuch der Schau. Aber es gibt weitere Entdeckungen. Der Kölner Bildhauer Heinz Breloh ist mit seinen organischen Terrakotta-Figuren sehr gut vertreten, der Maler Peter Tollens zeigt, wie sich in 20 Jahren seine Einstellung zur Farbe rot und zur Malerei gewandelt hat, und Bernhard Leitner schickt mit seiner akustischen Schlauch-Skulptur "Serpentinata" einen Klang auf Reisen. Freude und Hoffnung, das beflügelt hier Künstler wie Besucher.« (Thomas Kliemann, Findet mich das Glück? Das Kölner Museum Kolumba stellt in seiner Jahresausstellung die entscheidenden Fragen, in: Kölnische Rundschau, 13.9.2014, S.12)

»Das Kolumba Museum des Erzbistums Köln ist von Kunstkritikern zum "Museum des Jahres 2013" gekürt worden. Eine echte Überraschung ist die Kür des Kolumba nicht. Längst war die Ehrung des Museums durch die Kunstkritiker überfällig. Wer sich für einen breiten Kunst- und Kulturbegriff, aufregende Konzepte und attraktive Architektur interessiert, hatte Kolumba schon bald nach der Eröffnung im September 2007 auf der imaginären Bestenliste der Museen. Dass die deutsche Sektion des internationalen Kunstkritikerverbandes sich nun Kolumba aus der riesigen deutschen Museumslandschaft herausgepickt hat, bestätigt die Kenner und Liebhaber großartiger Ideen, Entwürfe und Realisierungen. Um dem Glanz von Kolumba gerecht zu werden, könnte man bei der Architektur des genialen Schweizer Architekten und Pritzker-Preisträgers des Jahres 2009, Peter Zumthor, beginnen. Der hatte für seinen Bau nicht nur einen komplizierten innerstädtischen Baugrundriss in der Kölner City zu bewältigen, sondern als Hypothek quasi im Keller auch noch die Überreste der spätgotischen Kirche St. Kolumba und Gottfried Böhms Kapelle "Madonna in den Trümmern". Zumthor hat diese historischen Bauten und Reste meisterhaft und mit einer ungeheuren Sensibilität für Materialien und Räume integriert. Diese Museumsarchitektur verknüpft Erlebnisqualität - bei der das Licht und die Proportionen entscheidende Rollen übernehmen - mit einer heute eher seltenen anzutreffenden architektonischen Demut, die das gebaute Museum als Hülle für die bildende Kunst versteht. Hier sind wir bei der Sammlung angelangt, die, was Qualität und Breite angeht, ihresgleichen sucht: Von der sakralen Skulptur bis zu Malerei der Gotik und zum 19. Jahrhundert, von mutig gesammelten Zeitgenossen bis zum Design reicht das Spektrum. Ein Fundus, aus dem heraus das Kolumba- Team erstaunliche Ausstellungen konzipiert hat, die Brücken zwischen sakraler und profaner, alter und neuer, erhabener und angewandter Kunst bauen. Belohnt wird mit dem Titel "Museum des Jahres" nicht zuletzt der Mut zu Themen wie das der aktuellen Jahresschau: Schrein. Da geht es um den Reiz des Verborgenen, die Ästhetik des Unsichtbaren, schließlich um eine auch jenseits des Religiösen liegende Spiritualität. Mitten im Kölner City-Trubel bietet sich Kolumba als Oase dafür an.« (Thomas Kliemann, Ehrung des Kolumba war längst überfällig, Kölnische Rundschau, 19.11.2013)

»Peter Zumthors noble Hülle für das Kunstmuseum des Erzbistums Köln wurde schon mit der "Großen Nike" des BDA oder dem Architekturpreis NRW belohnt. Gestern kürte die deutsche Sektion des internationalen Kunstkritikerverbands nun Kolumba zum "Museum des Jahres". Gerühmt wird der Dreiklang aus "hervorragender Architektur", "qualitätvoller Sammlung" und einer Ausstellungspolitik zugunsten von Künstlern, "die gemeinhin nur wenig Medieninteresse gewinnen". Museumsdirektor Stefan Kraus sieht die Auszeichnung "als unglaublich schöne Anerkennung für das gesamte Team, die wir sehr gern entgegennehmen - zumal wir damit überhaupt nicht gerechnet hatten". Kraus findet so auch sein Credo bestätigt, "dass die Museen viel stärker als bisher ihre Chance im Spezifischen suchen müssen". Da Kolumba mit Jahresausstellungen arbeitet, liegt die Messlatte hoch. "Das lag sie aber auch schon in den 90er Jahren, als wir zunächst die Notwendigkeit nachweisen wollten, über einen Neubau nachzudenken". Aus dem Ärmel wird hier nichts geschüttelt. "Wir lassen uns Zeit mit dem Entwickeln der Inhalte, und irgendwann merken wir schon, dass wir so ganz falsch nicht liegen. Aber entscheidend für das Gelingen einer Ausstellung sind jene zwei Wochen, wenn wir hier das Ganze mit vorbereiteten Werken inszenieren. Dann zeigt sich, ob wir eine ästhetische Dichten hinbekommen." Für die aktuelle Schau habe man mit dem Modell des Annoschreins geprobt, "ob dieser zentrale Raum überhaupt funktioniert". Aber Kraus nimmt das "Labor Kolumba" ernst: "Wenn wir nach einem Vierteljahr sähen, dass bestimmte Räume nicht tragen, würden wir das ändern." Was man übrigens in einem Fall schon getan hat... Zumthors Hülle sei für dieses Konzept wichtig, "andererseits stellt uns diese starke Architektur immer auch die Aufgabe, mit diesen Räumen richtig zu arbeiten." Kraus empfindet es gegenüber anderen Museen durchaus als Privileg, "dass wir die Chance hatten, intensiv mit dem Architekten zusammenzuarbeiten. Und die haben wir bis hin zu den Vitrinen genutzt". Von der Akzeptanz des Museums sei man überrascht, "da wir ja bewusst Beschriftungen und Kopfhörerführungen verweigern". Anfangs glaubte man, so "vielleicht 60 Prozent der Besucher erreichen zu können". Heute nimmt Stefan Kraus an, "dass von 100 Besuchern 95 beim Verlassen des Hauses sagen: Ich komme bald wieder vorbei". Was auch daran liegt, dass der kirchliche Träger "uns die nötige Freiheit für unser Konzept lässt". (Hartmut Wilmes, Kolumba in Köln ist Museum des Jahres, Kölnische Rundschau, 19.11.2013)

»Stefan Lochners "Madonna mit dem Veilchen" hat einen seltsamen Nachbarn bekommen: Schräg gegenüber hängt in ebenso markantem Hochformat ein Epitaph mit Jesus als Schmerzensmann, durch dessen Wundmale an den Füßen Weinrebe und Weizentrieb wachsen. Dieses bizarre Bild sollte die im Spätmittelalter zunehmend bezweifelte Transsubstantiationslehre beglaubigen. Danach behalten Brot und Wein im Moment der Wandlung zwar ihre äußere Form, werden tatsächlich aber zu Leib und Blut Christi. Diese Glaubensgewissheit besteht "trotz Natur und Augenschein", wie Thomas von Aquin konstatierte - ein Satz, den die aktuelle Schau im Diözesanmuseum als Titel nutzt. Sie begleitet den Eucharistischen Kongress, wobei Kunsthistorikerin Ulrike Surmann zwei Jahre lang "das theologisch verminte Gebiet" erforschte. Ihre mit rund 60 Exponaten (davon 38 hochkarätige Leihgaben) bestückte Ausstellung misst das komplexe Thema aus und fügt sich nahtlos ins intelligente Kolumba-Konzept. Das Zeitraster der Eucharistie-Schau endet im frühen 16. Jahrhundert. Ein Bild wie "Christus in der Kelter" (1510), in der sich Blut und Wein mischen, drückt keineswegs zimperlich die physische Realität der Wandlung aus. Auf anderen Tafeln ergießt sich das Blut der Lanzenwunde direkt in den Kelch. Die ältesten Exponate stammen aus dem 9. Jahrhundert, als das Bildverbot langsam bröckelte. Wobei Illustrationen anfangs oft Gebrauchsweisungen waren. Etwa im Raganaldus-Sakramentar aus Tours (844/45), das die Texte des Priesters für die Messe auflistet und die kirchliche Hierarchie visualisiert. "Ein solches Stück bekommen Sie nicht per E-Mail", erklärt Surmann. Empfehlungsbriefe des Kardinals sowie Sicherheitszusagen (klimatisierte, schadstofffreie und alarmgesicherte Panzerglasvitrine) waren auch nötig, um vom British Museum - "einer der härtesten Leihgeber der Welt" - eine Elfenbeintafel mit Szenen aus der Jugend Jesu zu erhalten. Das Entree gleicht mit den unter Glas aufgeschlagenen Schriften einer kostbaren Bibliothek. Spektakulär: Die Mettener Armenbibel, die den Moment der Wandlung opulent inszeniert. Der Himmel öffnet sich und offenbart den Auferstandenen, dessen Fußwunden den Weinkelch füllen und die Hostien benetzen. Prachtvoll vertreten sind auch die liturgischen Instrumente: goldene Monstranzen, Kelche und Vortragekreuze in filigraner Handwerkskunst. Vor allem aber glückt die Einbettung dieser Sonderschau in die Paul Thek gewidmete Jahresausstellung "Art is Liturgy". Etwa in Raum 13: Die prachtvolle Monstranz der Pfarrei St. Kolumba behauptet das Zentrum, zwei halbrund gebogene Epitaphe aus dem Erfurter Dom schmücken die Wände, und wie ein moderner Kommentar wirkt Theks drastisch-poetisches "Meatpiece with Butterflys". Auch wenn Kounellis' goldene Wand den Ablasstafeln des Mittelalters begegnet, funktioniert diese Verzahnung frappierend. Man sieht: Kunst ist Liturgie, kann aber mit gleichem Recht sagen: Liturgie ist Kunst. Wobei das Katalogbuch über seine erstklassigen Fotos und die kunsthistorischen Essays kühn hinausgreift. Johannes Schröer (Domradio) animierte Lyriker und Prosa-Autoren, ohne jede Vorgabe zum Thema Eucharistie zu schreiben. Das Ergebnis: höchst anregende, originelle Texte von Ulla Hahn, Norbert Scheuer, Arnold Stadler, Navid Kermani, Norbert Hummelt und Anna Katharina Hahn.« (Hartmut Wilmes, Wenn sich Blut und Wein mischen. Exquisite Kolumba-Ausstellung zum Thema Eucharistie, Kölnische Rundschau, 30. Mai 2013, S.9)

»Der Kampf des Mannes gegen den kleinen weißen Quader scheint aussichtslos zu sein: Er wendet ihn, dreht ihn, versucht ihn schließlich zu verschlingen. Hektisch verwackelte Fotos dokumentieren das verzweifelte Ringen von Bernhard Johannes Blume mit dem Artefakt. Was der unlängst verstorbene Querdenker damit sagen wollte? Präzise formuliert er es in der Bilderstrecke. Damit's auch jeder begreift steht daneben: "Die reine Vernunft ist als reine Vernunft ungenießbar." Das Kölner Museum Kolumba hat Blumes kleine Arbeit gleich an den Anfang der neuen Ausstellung ins Treppenhaus gehängt: Sie soll zeigen, dass "denken", so der Titel der Schau, nicht bierernst sein muss. Einer schönen Tradition folgend schließt das Museum Anfang September zwei Wochen, um sich anschließen neu sortiert, verwandelt zu präsentieren. Das Motto der inzwischen 5. Verwandlung heißt also "denken". Das Thema wird in allen erdenklichen Facetten durchdekliniert, wobei gleich zu Beginn Monika Bartholomé im Video eine für Künstler fundamentale Frage stellt. Da zeichnet eine Hand. Folgt sie dem Denken oder befördert sie das Denken? Oder verarbeitet sie Wahrgenommenes parallel mit dem Denken? In einem grandiosen Parcours wühlt sich Kolumba ins Thema hinein, geht mit einem Zyklus von Rune Mields unter dem Oberbegriff "Steinzeitgeometrie" zu den Ursprüngen der Zeichen zurück, um sich dann dem weiten Feld christlicher Symbolik zu nähern und schließlich zu Zeichen-Systemen zu gelangen, die die Welt erklären. Eindrucksvolles Beispiel ist der aus Fragmenten bestehende Schmuckfußboden aus St. Pankratius in Oberpleis (13. Jahrhundert), der dem Menschen seinen Platz im christlich-antiken Kosmos zuweist. Nicht weit davon erzählt ein Blockbuch aus dem 15. Jahrhundert, das durch die Sammlung Renate König ins Haus kam, von der Kunst des Erinnerns. Hoch komplizierte Piktogramme erläutern in diesem Buch über die Kunst des Erinnerns, von dem nur noch zwei Exemplare auf der Welt existieren, Zusammenhänge der Evangelien. Ein hundert Jahre später gemaltes Werk führt die "Arma Christi", die Leidenswerkzeuge der Passion, in authentischer Größe vor. Kolumba bietet faszinierende Denkräume wie den Südturm, der das Personal aus einem prächtigen Heilig-Geist-Altar aus der Mitte des 15. Jahrhunderts mit Bernhard Leitners "RaumReflexion" (2010) konfrontiert, die mittels Parabolschüsseln Klänge in den Raum schießt und gleichsam in der Luft zerplatzen lässt. Es gibt auch Denktische: Der Komponist Manos Tsangaris wird seinen "Implodierenden Schreibtisch" während der gesamten Ausstellungsdauer mit Material bespielen, Kolumba-Architekt Peter Zumthor zeigt auf einem anderen Tisch Skizzen zur Raumabfolge des in diesem Jahr mit den NRW-Architekturpreis ausgezeichneten Hauses. Er behandelt Räume wie Skulpturen, spielt mit ihnen, lädt sie durch Farbe emotional auf. Nichts anderes tut das Team von Kolumba mit seinen Ausstellungen. Brillant gelungen ist die Platzierung von Dieter Kriegs sechsteiligem Zyklus mit Riesenformaten, die mit großer Geste leere Weingläser zeigen und "In der Leere ist ist nichts" Wort für Wort aufscheinen lassen. Wird hier - stotternd - die Leere hinterfragt, arbeitet ein anderer Raum mit der Fülle der Eindrücke. Jannis Kounellis' "Bürgerliche Tragödie" mit Blattgoldwand, Öllampe und Garderobenständer bietet den Hintergrund für ein Feld von Altärchen und Devotionalien, die die private Frömmigkeit beleuchten. Von Konrad Klaphecks "Kleinem Liebesglück" über John Cages wunderbare Werkgruppe "Über die Oberfläche" bis zur "Bibliothek im Eis" von Lutz Fritsch und Farbspielen von Peter Tollens reicht das Spektrum. Was das mit "denken" zu tun hat? Darüber kann man in Kolumba schön nachdenken.« (Thomas Klieman, Reine Vernunft ist ungenießbar, Kölnische-Rundschau, 15.9.2011)

»Wer immer mit dem kleinen Heftchen in der Hand durch die unbeschrifteten Ausstellungen in Kolumba geht, verlässt sich – und das ist gewollt – zunächst ganz auf sein Auge. Ohne die Informationen auf den Etiketten kanalisiert zu sein, muss er selbst überlegen, welche Kunstrichtung, welche Zeit, welcher Künstler oder Stil das einzelne Kunstwerk bestimmt. Dann kann er freilich nachschlagen in den kleinen Begleitheft. Mit den Buntstiftzeichnungen von Philipp Wewerka wird das Spiel mit dem Sich-Entziehenden noch einen Schritt weiter getrieben, obwohl diesmal sogar ein schönes, buntes Begleitheft vorliegt. ... Es ist eine kindliche Welt, di in ihrer Starre geheimnisvoll verschlossen bleibt ... Als ob es in Tiefenschichten eine geheimnisvolle Verbindung gäbe. Und so passen die rund 20 Zeichnungen sicht in besonderer Weise in den großen Rahmen der gegenwärtigen Ausstellung 'Noli me tangere'.« (Heidrun Wirth, Verschlossene Buntstift-Welt. Kolumba zeigt die Studioausstellung 'Taurus' von Philipp Wewerka, Kölnische Rundschau, 9.6.2011, S.19)

»Manches bleibt (die rote Lochner-Madonna), manches ist radikal verändert (eine Wunderkammer, mit Vitrinen gefüllte Räume), manches gewinnt nur eben neue Bedeutung (Eisenplastik von Richard Serra). Die helle Zumthor-Architektur in Kolumba umfasst diese Kunst so ganzheitlich wie der Kölner Dom den Reliquienschrein der Heiligen Drei Könige. "Noli me tangere", das "Rühr-mich-nicht-an" aus dem Johannes-Evangelium, trägt weit durch die Kunst, die zwei Jahrtausende durchstreift, wenn wir das kleine römische Frauenköpfchen aus blauem Lapislazuli hinzunehmen, das in ein romanisches goldenes Kruzifix (Herimann- und Idakreuz) eingearbeitet wurde.
Berührung und Berührungsängste gab es damals nicht und scheint es auch heute nicht in Kolumba zu geben, wenn die verschiedensten Epochen der Kunst- und Religionsgeschichte lustvoll und mit hoher sinnlicher Präsenz gegeneinander antreten. Ob es eingangs die römisch-christlichen Ausgrabungen sind, die begleitet werden von einer Klanginstallation der "Tauben von Kolumba" (Bill Fontana), oder ob ganz oben als Endpunkt ein majestätisch einsames romanisches Holzkruzifix hängt in Kontrast zu einem bizarr-kitschig manierierten Sammelsurium von Toten-und anderen Köpfen, gesammelt von der kürzlich verstorbenen Krimhild Becker (1940-2010), die sich auch durch ihre fotografischen Arbeiten einen Namen gemacht hat. "Wie begegnen wir Krankheit und Tod? Auch das ist ja ein Noli me tangere", meint Stefan Kraus, der die Berührungen des Menschlichen und allzu Menschlichen (Jürgen Klauke oder Paul Thek mit seinem wund liegenden "Fishman" aus Latex) mit den sich entziehenden Berührungen durch eine spirituelle, mystische Kunst (die Goldwand von Kounellis, die Monochromien von Joseph Marioni) immer weiter treibt. Der Besucher aber geht mit einem Heftchen an den etikettenlosen Exponaten vorbei, und manchmal wird er schmunzeln, wenn er Reliquienmonstranzen neben gläsernen Ziervasen und Zierpokalen aus den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts antrifft oder wenn Kleinstskulpturen aus spitzen Binsenhalmen (Bethan Huws) mit Bergkristall und Perlen in sakralen Gold-und Silberschmiedearbeiten konkurrieren. Das Wunderbare: die simplen Materialien, ins rechte Licht gesetzt im Armarium, der eigentlichen "Schatzkammer" in Kolumba, können sich durchaus behaupten, und wer an Franziskus von Assisi denkt, liegt sicher auch nicht falsch. Wunderbar aber ist etwa der zwischen zwei hohe schlichte Eisenplatten eingespannte Schall und Klang mit dem Titel "pulsierende Stille", 2007, vom documenta- und biennaleerfahrenen Tanz- und Bewegungskünstler Bernard Leitner geschaffen. Sind es die einzelnen, extrem sparsam gehängten Exponate oder ist es eben diese kontrastreich provokative Präsentation, wo die Gegensätze doch immer wieder in einer unerwarteten Synthese aufgehoben werden? Sicher ist es auch das Gebäude, das immer wieder neu erscheint, sobald man den asketisch anmutenden "Pilgerweg" über die hellen Treppen zurückgelegt hat. Und wenn man von dem Panoramafenster aus zum Dom blickt, wird der ohne weiteres als weiteres Kunstwerk einbezogen, als hätten ihn die Kolumba-Macher extra auch noch dorthin gestellt.« (Heidrun Wirth, Bloß keine Berührungsängste, Kölnische Rundschau, 15.9.2010)

»Zum drittenmal haben Kraus und sein Kuratorenteam in Peter Zumthors asketisch-noblem Bau thematische Wechselspiele zwischen alter und zeitgenössischer Kunst inszeniert, die diesmal um Erinnerung und den Umgang mit dem historischen Erbe kreisen. „Kolumba will eine Reibungsfläche sein“, versichert Kraus, dem gleichwohl eine schlüssige Präsentation von hoher sinnlicher Qualität gelungen ist.… Die Pracht liturgischer Gewänder aus dem Besitz von Kardinal Frings, die frei im Raum platziert sind, kommt in raffinierter Ausleuchtung zur Geltung. Den Kontrast bieten Duane Michals Fotosequenz „Ein Versprechen an Gott“, nie gezeigte Modezeichnungen des jungen Paul Thek aus den 50er Jahren und zwei großformatige Fotos, die einen verzweifelt agierenden Jürgen Klauke in der Serie „Desaströses Ich“ zeigen. Beziehungsspielen vielfältiger Art begegnet man auch in den Sälen und Kabinetten der zweiten Etage. Dabei wird darauf geachtet, dass es in dem Parcours auch sparsam bestückte „Denkräume“ gibt, in denen Besucher Kraft schöpfen können. Schier überbordend ist nämlich die Fülle der Eindrücke, die Felix Droese mit "Der Grafenberg" auslöst; mehrere hundert Arbeiten, die er während seiner Zivildienstzeit im Landeskrankenhaus Düsseldorf-Grafenberg zusammengetragen hat. Kolumba präsentiert die Zeichnungen und Malereien, Medikamentenpackungen, persönlichen Notizen, Briefe, Fotos und andere Dinge mehr in eigens angefertigten Vitrinen, die auf einem Ensemble gebrauchter Tische ausgelegt sind. Was da an Schicksalen ausgebreitet ist, geht unter die Haut. Ruhe und Kontemplation bietet da der Anblick einer Ecce-Homo-Darstellung von Anfang des 16. Jahrhunderts. Zu den Konstanten gehört Stefan Lochners „Madonna mit dem Veilchen“, diesmal in Gegenüberstellung zu atelierfrischen Arbeiten von Bärbel Messmann. Eine sichere Hand bewiesen die Kuratoren bei der Bespielung des hohen Nordturmes, wo man die Blicke schweifen lassen kann zwischen einem Kruzifix von 1150, Joseph Beuys' Munitionskiste mit Fichtenstamm und Kurt Bennings Fotonegativ im Leuchtkasten, das den Vater zeigt, den er nicht kannte. Am dichtesten bestückt ist das Ostkabinett, wo der Ausstellungstitel so leicht fasslich wird, dass sich Erklärungen erübrigen. Ein Haufen alter Staubsauger und zahlreiche Gegenstände privaten Gebrauchs, Brillen, Schreibzeug, Besteck, Gebetbücher, die in Vitrinen aufgereiht sind, korrespondieren perfekt mit Kurt Bennings titelgebender Video-Arbeit. „Erinnerungsfähige Räume“ wollen die Kolumba-Kuratoren schaffen. Dem Andenken dienen auch Herbert Falkens „Asphaltfotos“, die man wie ein Andachtsbildchen mit nach Hause nehmen darf.« (Hanna Styrie, Schicksal der Staubsauger, Kölnische Rundschau, 13.9.2009)

»An einen Gottesdienst und den Empfang des Erzbischofs schließt sich am Nachmittag die 'Akademie zum Aschermittwoch‘ an, die diesmal unter dem Thema 'Der ästhetische Augenblick – Versuch über die Sprachlosigkeit' stand. Referent Stefan Kraus, der Direktor von Kolumba, dem Kunstmuseum des Erzbistums Köln, widmete sich darin jenem kurzen ersten Moment in der Begegnung mit Kunst, der den Betrachter ganz unmittelbar bewegen, ergreifen oder erschüttern kann.'Nirgends sind sich Künstler und Betrachter näher als in den Sekunden der reinen Erkenntnis', meint der Leiter von Kolumba, für den Intuition und Emotionalität in der Erfahrung eines Kunstwerks eine weit größere Rolle spielen als die Aneignung durch eine kunstwissenschaftliche Vermittlung.« (Hanna Styrie, Intimer Moment vor dem Werk, Kölnische Rundschau, 26.2.09)

»…Einmal jährlich, mit einem festritualisierten Paukenschlag Mitte September, soll ein neuer Zugriff auf den reichen Fundus die Besucher staunen lassen. Spannung aufzubauen zwischen ästhetischen Formen, die aufs erste völlig disparat erscheinen, auf den zweiten Blick aber seltsam gut miteinander harmonieren, das ist das Kolumba-Prinzip. So schmunzelt man über die Reihen gleichmäßig transluzider Trinkgläser (Malerei von Peter Dreher), die der wilden Kugelbahn gegenüber hängen. … Mystisch taucht aus dem Dunkel eine Maria mit dem Einhorn auf einer Nonnenstickerei aus dem 14. / 15. Jahrhundert auf, die eine Treibjagd darstellt, nicht weit davon naive Tierfiguren von Erich Boedeker, ähnlich den ägyptischen Begleitern ins Totenreich. Warum sollte das Kruzifix aus dem 12. Jahrhundert damit nicht korrespondieren? Und natürlich glitzert und funkelt dann wie gehabt der Kirchenschatz von St. Kolumba. … Und wenn schon alles mit allem korrespondiert, so sind es diesmal die zittrigen Regenstreifen auf dem Panoramafenster, die im Raum 10 die zart vergehenden Bildgitter des in Köln lebenden Malers Heiner Binding aufnehmen. In diesem Raum, der das ehemalige „Schaufenster“ vom Roncalliplatz weiterführt, wird sogar vierteljährlich gewechselt. … Doch zunächst geht es nun darum, die Augen sehen zu lehren, „dass das Leben wie eine Schale mit Kirschen“ ist auf einer Zeichnung von Paul Thek und dass diese Gefäße wie aus dem Nichts heraus greifbar werden in den edlen Schalen von Phil Sims. Dass Karl Burgeff sein Licht durch (gezeichnete) Blattformen schickt und dass das Licht der Renaissance unmittelbar daneben auf die naturalistische Pflanzenminiatur im Stundenbuch der Dona Isabel (um 1510) fällt. Dem Direktor Stefan Kraus und seinem Team geht es darum, „Räume zu schaffen, an die man sich erinnert“. Glaubwürdig.« (Heidrun Wirth, Kolumba schiebt jetzt eine laute Kugel, KR, 13.9.2008)

»'Für ein Haus zu sprechen, in dem man Schönheit erfahren kann', das versetzt Stefan Kraus in jene gehobene Gemütslage, die der neue Direktor von Kolumba auch an den Besuchern beobachten kann: 'Heiterkeit, Gelassenheit, Nachdenklichkeit' liest der 47jährige aus vielen Gesichtern. Diese seelische Resonanz von Kunst ist ihm wichtiger als die Zahl von 100.000 Gästen, die seit Eröffnung Mitte September 2007 das neue Haus besichtigt haben. Im Diözesanmuseum ticken die Uhren eben anders als in kommunalen Institutionen, wo eine Hausberufung die Ausnahme ist. Für Kolumba dagegen verstand es sich beinahe von selbst, dass am 1. Mai der langjährige Kurator Stefan Kraus die Nachfolge von Joachim M. Plotzek (65) antritt, der gestern in den Ruhestand verabschiedet wurde. Kraus bürge für 'Kontinuität, Qualität und die Identität des Hauses, das auch den christlichen Glauben bezeuge, so erklärte Generalvikar Dominik Schwaderlapp beim Pressegespräch.« (Annette Schröder, Was bleibt ist Heiterkeit. Stefan Kraus stellte sich als Direktor von Kolumba vor, Kölnische Rundschau, 23.4.2008)

»In der Tat bildet diese 'Bürgerliche Tragödie' mit den übrigen Exponaten im Nordkabinett von Kolumba ein Kraftfeld: mit dem Hausaltärchen von 1440, das vom Einbruch des Göttlichen ins bürgerliche Alltagsleben kündet. Mit Konrad Klaphecks Nähmaschinen-Bild, das als melancholische Verteidigung des Humanen in virtuell überdrehten Zeiten verstanden werden kann. Und mit Vasen und Kannen aus der Sammlung Schriefers, die in ihrer Formschönheit über die profane Funktion hinausweisen.« (Annette Schroeder, Kunst zwischen Himmel und Erde gespannt, Kölnische Rundschau, 26.9.2007, S.9)