Kolumba
Kolumbastraße 4
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Ist sie Spielzeug oder Versuchsanordnung, kinetische Plastik oder Raumzeichnung, Klangskulptur oder Gesamtkunstwerk, oder ist sie – dies alles einschließend – doch weit mehr als das? Die Kugelbahn ist ein musikalisch-plastischer Automat als Wahrnehmungsmodell. Sie ist ein um eine Mitte herum komponiertes Musikstück, das von drei rollenden Kugel aufgeführt wird; eine Low-Tech Maschine, die zusammengebaut wurde, um »irgendwo bei Klängen zu enden« (Manos Tsangaris über seine Arbeit als Komponist im März 1997). Indem sie sich nicht etablierter Medien der Klangerzeugung bedient, sondern sich in einer synästhetischen Nische ihr eigenes Medium schafft, greift sie Kompositionsprinzipien auf, die in Werken wie John Cages »Credo in Us« (1942) ihre epochalen Vorläufer haben. Im Performativen schließt sie an Raumkonzepte der Zwanziger Jahre an, mit denen Möglichkeiten einer Überwindung der Guckkastenbühne aufgezeigt waren; etwa Laszlo Moholy-Nagys »Kinetisch-konstruktives System« (1922), Farkas Molnárs »UTheater« (1923) und Friedrich Kiesers »Raumbühne« (1924). Gegenüber diesen architektonischen und bildkünstlerischen Utopien bestehen besonders enge Verbindungen zum visionärem »Kugeltheater« des Malers und Musikers Andor Weininger (1926/27), dessen Teilnachlass sich in der Kolumba-Sammlung befindet: »die bewegung, ausgangspunkt aller primären mittel, wie raum, körper, fläche, linie, punkt; farbe, licht; ton, geräusch. zu einer mechanischen synthese gestaltet (im gegensatz zur statischen synthese in der architektur). [...] Die zuschauer „befinden sich infolge übersicht des ganzen, infolge der zentripetalkraft, in einem neuen, optischen, akustischen, psychologischen verhältnis; sie befinden sich gegenüber neuen möglichkeiten konzentrischer, exentrischer, richtungsbeliebiger, mechanischer raumbühnenvorgänge«“ (Zeitschrift bauhaus, Heft 3.1927,S.2.). Den Unterschied zur Kugelbahn markiert deren musikalisch-kompositorischer Ursprung und die in ihm zugewiesene Aktivität des einzelnen Individuums. Besonders darin wird der zeitgenössische Anteil eines erweiterten Kunstbegriffs deutlich: Das Subjekt ist Teil einer Komposition, deren öffentliche Wirkung auf das Individuelle, auf das Private zielt. Als Rauminstallation ist die Kugelbahn nicht Ziel sondern Mittel des Werkes, sie ist der Gesichtskreis der «Person im Zentrum«“, die Hörer, Zuschauer und Performer ist und damit Innen- und Außenperspektive der Situation gleichzeitig erlebt. Dies geschieht spielerisch, unmittelbar und authentisch. Der Stuhl markiert den Ort und also die „Schärfe“ der Wahrnehmung im Zentrum von Mikro- und Makrokosmos der sich durchwirkenden Erlebnis- und Erinnerungslandschaften des Subjekts.
»Der Mensch soll mit der Schönheit nur spielen, und er soll nur mit der Schönheit spielen«, schrieb Friedrich Schiller 1793 in seinen »Briefen zur ästhetischen Erziehung« an den dänischen Erbprinzen, seinen Gönner Friedrich Christian von Holstein Augustenburg, in Kopenhagen: »Denn, um es endlich auf einmal herauszusagen, der Mensch spielt nur, wo er in Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.« (sk 2002)
Kunstmuseum
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09/22 Ort & Subjekt
11/21 im Kreis, um uns
09/21 In die Weite
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08/21 La Voix Off #9
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07/21 La Voix Off #7
06/21 La Voix Off #6
06/21 Kunst und Choreografie
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06/21 La Voix Off #5
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05/21 La Voix Off #4
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04/21 La Voix Off #3_4. Teil
04/21 La Voix Off #3_3. Teil
04/21 La Voix Off #3_2. Teil
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02/21 Ökosystem des Tanzes
12/20 Meet
11/20 Lockdown
11/20 Aufbau Heinz Breloh
10/20 Aufbau Büro für ...
10/20 Aufbau Hannah Villiger
10/20 Aufbau Bernhard Leitner
10/20 Aufbau Duane Michals
10/20 Performance Kläs & Gomes
09/20 Aufbau Richard Tuttle
09/20 Dark Red
09/19 Aufbrüche
09/17 Pas de deux
01/17 Kurt Benning
09/16 Me in a no-time state
10/15 Winterreise
09/15 Der rote Faden
06/15 Oper II: Gustav Holst
06/15 Oper I: Leos Janácek
11/14 Klangwerkstatt
09/14 playing by heart
04/14 Kunst Raum Klang
05/14 The Visitors
03/14 Aschermittwoch
11/13 MIRA
06/13 HornroH
09/13 zeigen verhüllen verbergen
05/13 Ellen Keusen
05/13 Seline Baumgartner
05/13 Manos Tsangaris
05/13 trotz Natur und Augenschein
09/12 Art is Liturgy
06/12 Kammer der Andacht
04/12 Collection of Rocks
11/11 Klangwerkstatt
09/11 denken
08/11 Finissage Noli me tangere
07/11 Noli me tangere - reloaded
11/10 Klangwerkstatt
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05/10 Heilig-Geist-Retabel
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10/09 WDR meister.werke
09/09 Hinterlassenschaft
06/09 Lauren Newton
10/08 Donaueschingen
09/08 Kugelbahn
06/08 Kolumba singt!
04/08 Verabschiedung JMP
04/08 Samstagsführung
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11/07 3SAT Der Bau
 
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KOLUMBA :: Filme :: 09/08 Kugelbahn



Ist sie Spielzeug oder Versuchsanordnung, kinetische Plastik oder Raumzeichnung, Klangskulptur oder Gesamtkunstwerk, oder ist sie – dies alles einschließend – doch weit mehr als das? Die Kugelbahn ist ein musikalisch-plastischer Automat als Wahrnehmungsmodell. Sie ist ein um eine Mitte herum komponiertes Musikstück, das von drei rollenden Kugel aufgeführt wird; eine Low-Tech Maschine, die zusammengebaut wurde, um »irgendwo bei Klängen zu enden« (Manos Tsangaris über seine Arbeit als Komponist im März 1997). Indem sie sich nicht etablierter Medien der Klangerzeugung bedient, sondern sich in einer synästhetischen Nische ihr eigenes Medium schafft, greift sie Kompositionsprinzipien auf, die in Werken wie John Cages »Credo in Us« (1942) ihre epochalen Vorläufer haben. Im Performativen schließt sie an Raumkonzepte der Zwanziger Jahre an, mit denen Möglichkeiten einer Überwindung der Guckkastenbühne aufgezeigt waren; etwa Laszlo Moholy-Nagys »Kinetisch-konstruktives System« (1922), Farkas Molnárs »UTheater« (1923) und Friedrich Kiesers »Raumbühne« (1924). Gegenüber diesen architektonischen und bildkünstlerischen Utopien bestehen besonders enge Verbindungen zum visionärem »Kugeltheater« des Malers und Musikers Andor Weininger (1926/27), dessen Teilnachlass sich in der Kolumba-Sammlung befindet: »die bewegung, ausgangspunkt aller primären mittel, wie raum, körper, fläche, linie, punkt; farbe, licht; ton, geräusch. zu einer mechanischen synthese gestaltet (im gegensatz zur statischen synthese in der architektur). [...] Die zuschauer „befinden sich infolge übersicht des ganzen, infolge der zentripetalkraft, in einem neuen, optischen, akustischen, psychologischen verhältnis; sie befinden sich gegenüber neuen möglichkeiten konzentrischer, exentrischer, richtungsbeliebiger, mechanischer raumbühnenvorgänge«“ (Zeitschrift bauhaus, Heft 3.1927,S.2.). Den Unterschied zur Kugelbahn markiert deren musikalisch-kompositorischer Ursprung und die in ihm zugewiesene Aktivität des einzelnen Individuums. Besonders darin wird der zeitgenössische Anteil eines erweiterten Kunstbegriffs deutlich: Das Subjekt ist Teil einer Komposition, deren öffentliche Wirkung auf das Individuelle, auf das Private zielt. Als Rauminstallation ist die Kugelbahn nicht Ziel sondern Mittel des Werkes, sie ist der Gesichtskreis der «Person im Zentrum«“, die Hörer, Zuschauer und Performer ist und damit Innen- und Außenperspektive der Situation gleichzeitig erlebt. Dies geschieht spielerisch, unmittelbar und authentisch. Der Stuhl markiert den Ort und also die „Schärfe“ der Wahrnehmung im Zentrum von Mikro- und Makrokosmos der sich durchwirkenden Erlebnis- und Erinnerungslandschaften des Subjekts.
»Der Mensch soll mit der Schönheit nur spielen, und er soll nur mit der Schönheit spielen«, schrieb Friedrich Schiller 1793 in seinen »Briefen zur ästhetischen Erziehung« an den dänischen Erbprinzen, seinen Gönner Friedrich Christian von Holstein Augustenburg, in Kopenhagen: »Denn, um es endlich auf einmal herauszusagen, der Mensch spielt nur, wo er in Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.« (sk 2002)