Kolumba
Kolumbastraße 4
D-50667 Köln
tel +49 (0)221 9331930
fax +49 (0)221 93319333
1. November 2003, 15 bis 20 Uhr
Kolumba zu Gast mit Martin Frommelt Schauspielhaus Köln Mit der Bühne des Kölner Schauspielhauses begibt sich das Museum auf die vergleichsweise schwankenden Bretter, die die Welt bedeuten, in einen abstrakten, großen Raum, der von der Aktion lebt, der vom bewegten Bild und vom gesprochenen Wort gefüllt wird. Der Bühnenraum besitzt damit Eigenschaften, welche die räumliche Universalität eines Werkes der Museumssammlung zur Entfaltung bringen könnten, das im herkömmlichen Sinne – etwa in Rahmen an der Wand – nicht zu vermitteln ist. »Creation – Fünf Konstellationen zur Schöpfung« lautet der Titel eines druckgraphischen Mappenwerkes, das der 1933 geborene Liechtensteiner Künstler Martin Frommelt von 1989 bis 1999 geschaffen hat. Es setzt zweifellos einiges Gottvertrauen voraus, am Ende des Zwanzigsten Jahrhunderts unter diesem Titel einen Zyklus zum Thema »Schöpfung« anzugehen. Fast täglich informieren neue Berichte darüber, auf welche Weise der Mensch in das gegebene Regelwerk eingreift, es nach Belieben verändert und sich dabei über ethische und religiöse Traditionen hinwegsetzt. Unsere Gegenwart hat die Science Fiction, die antizipierte Zukunft der Wissenschaft, bereits hinter sich gelassen. Was also könnte anachronistischer sein, als die künstlerische Bearbeitung dieses seit dem Verlust der geozentrischen Weltsicht kaum aktualisierten Themas in einem außergewöhnlich umfangreichen Mappenwerk? Allein dessen Untertitel »Fünf Konstellationen zur Schöpfung« verweist jedoch auf einen der Tradition entgegengesetzten Ansatz, denn »Konstellation« bedeutet »Lage« und »Gruppierung«, kennzeichnet eine Situation, in der verschiedene Faktoren aufeinandertreffen und definiert die Fügung der hier getroffenen Auswahl als eine unter anderen Möglichkeiten. In seiner Offenheit entspricht der Untertitel der gewählten Form des ungebundenen Buches, dessen Raum sich nicht linear auffächert, vielmehr als Überlagerung entfaltet. Das Werk umfasst 214 mehrfarbige Radierungen auf 107 Bögen im Format 80 x 120 cm. Die vorgenommene Ordnung der fünf Konstellationen dient allenfalls als Modell kontinuierlicher Lesbarkeit, während die Beobachtungen der Wiederholungen und Durchlässigkeiten, der formalen Verwandtschaften und ästhetischen Brüche innerhalb des gesamten Zyklus wesentliche, diskontinuierliche Einschübe beisteuern. Die »Creation« muss also geblättert werden, um ihren Reichtum zu entfalten. Bei der »Aufführung« des Werkes, das auf fünf Tischen liegend von den Kunstvermittlern des Museums – sozusagen stellvertretend – geblättert wird, kann sich der Zuschauer frei im Bühnenraum bewegen und im langsamen Nacheinander der Blattfolgen Entdeckungen machen, die sich als Summe seiner Beobachtungen zu einem Bild fügen. Die Unterschiedlichkeit der Tische, der einzigen Requisite, dient als Hinweis auf die Unterschiedlichkeit der Lebenswelten, die für Herkunft und Rezeption der Mappe von Bedeutung sind. Martin Frommelt verdichtet seine Eindrücke im Streit mit der Abstraktion auf eine nahezu archaische und kulturell nicht gebundene Zeichensprache. Kreatürliches wird in diese Strukturen sehr behutsam eingewoben oder löst sich prozesshaft aus ihnen heraus: Schlangen als über das Blatt mäandernde Striche, sich bedrohlich aufschwingende Vögel, im Eis oder in der Zeit erstarrte Fische und lauernd schreitende Raubtiere. Überraschend, wie wörtlich sie in der völligen Abstraktion ihre konkreten Spuren hinterlassen und den geistigen Raum mit warmem Atem füllen. Mit »Creation« zieht Frommelt die Summe des künstlerischen Prinzips: Der zu beobachtende Stilpluralismus, die betonte Uneinheitlichkeit der Handschrift wird darin zum wesentlichen und notwendigen Merkmal eines zeitgenössischen Standortes. »Kunst also ist Wahrnehmung von Gestalt – aber durch Schaffung von Gestalt. Nur das, was der Künstler machen kann, macht er auch wahrnehmbar. Und wenn es ihm nicht glückt, ihm Gestalt zu geben, so ist das Wahrgenommene verloren; es ist nicht vermittelt. Es ist in gewisser Weise nicht wahrgenommen«, schrieb der Physiker und Philosoph Carl Friedrich von Weizsäcker, und weiter: »Wer aber immer nur von der Beweisbarkeit ausgeht, macht sich bestimmte Erfahrungen beinahe unmöglich. Um diese affektive Problematik geht es meines Erachtens auch in dem Konflikt zwischen Mythos und Wissenschaft. […] Ich behaupte, die Entwicklung der Wissenschaft, insbesondere derjenigen Wissenschaft, die meine Heimat ist, nämlich der Physik, geht dahin, daß wir die Spannung zwischen dem Beweisbaren und dem Nichtbeweisbaren in einer gewissen Weise sichtbar machen, erkennbar machen.« (Kunst – Mythos – Wissenschaft, zit. nach: C. F.v.W., Zeit und Wissen, München 1995, S.429-444.) In seinem Anspruch auf Universalität erinnert sein Werk an die vergleichbar umfangreichen Weltchroniken, vor allem an die 1493 in lateinischer Sprache und im gleichen Jahr noch in deutscher Übersetzung erschienene Weltchronik des Nürnberger Humanisten Hartmann Schedel, die mit 1809 Illustrationen einen Höhepunkt der Buchkunst markiert. Doch mehr noch als die enorme editorische Leistung überzeugt die künstlerische Haltung, mit der Frommelt einen zehnjährigen Schaffensprozess durchsteht, um am Ende nicht nur Summe ziehen zu können, sondern auch ein Hoffnungszeichen dafür zu setzen, dass Glaube und Wissen am Ende dieses Jahrhunderts nicht unvereinbar sind. Die fünfstündige Kontinuität des Blätterns und Betrachtens korrespondiert mit dem gesprochenen Wort, das ebenso wie das graphische Werk in den Raum hinein wirken soll: Zehn Schauspieler, die sich mit den Betrachtern frei bewegen, lesen eine Auswahl verschiedener Texte, die den Konstellationen jeweils zugeordnet werden. Konstellation I (Raum, Ordnung und Zeit): Passagen aus den Werken von Rupert Riedl, die selbständiger Teil der »Creation« sind (»Die Strategie der Genesis«, München/Zürich 1976/1984 und »Evolution und Erkenntnis. Antworten auf Fragen unserer Zeit«, München/Zürich, 1982ff.); Konstellation II (Vernetzungen und Kräfte): Passagen aus den Weisheitsbüchern des Alten Testamentes (Sprüche Salomos/Buch Kohelet); Konstellation III (Elemente und Sinnliches): Francesco Petrarca, »Die Besteigung des Mont Ventoux«; Konstellation IV (Botschaften und Sinn): Monolog der Molly Bloom aus James Joyce, »Ulysses«; Konstellation V (Transzendenz und Reflexion): Raimundus Lullus, »Über die einhundert Formen«, Vierter Abschnitt aus »Die neue Logik«. Die nahezu endlose Struktur dieser Texte und ihre wechselnden Inhaltsebenen verbinden sich zu einer vielstimmigen Aussage menschlicher Existenz, die die visuellen Eindrücke der »Creation« überlagert. Gemeinsam ermöglichen Wort- und Bildebene eine enzyklopädische Betrachtung von Wirklichkeit, die sie in der Addition gesehener, gehörter und erinnerter Fragmente als eindrucksvolles Panorama in uns ausbreiten. (sk) Sprecher: Michael Altmann, Susanne Barth, Heinrich Baumgartner, Ralf Harster, Anja Herden, Lukas Holzhausen, Martin Reinke, Dagmar Sachse, Markus Scheumann, Birgit Walter; Ausstattung: Petra Buchholz; Licht: Magnus Rösch; Ton: Martin Töpler; Bühnenleitung: Joachim Idel, Martin Kammann; Dramaturgie: Konrad Oktavian Knieling, Jörg Vorhaben; Szenische Einrichtung: Manos Tsangaris; Konzept/Blätterer: Diözesanmuseum Köln: Joachim M. Plotzek, Katharina Winnekes, Stefan Kraus, Ulrike Surmann, Marc Steinmann. Mit einem herzlichen Dank an die Mitarbeiter des Schauspiel Köln, für die Einladung und die freundliche Kooperation. (Werkbuch Martin Frommelt) | Kunstmuseum
des Erzbistums Köln Aktuell Architektur Ausstellungen Bildergalerie Filme Hörstücke Info Kapelle Museumsgeschichte Publikationen Texte Veranstaltungen Vermittlung 24/25 Kioskgespräche 08/24 Materialkarussell 06/24 Rheinische Musikschule zu Gast 3-6/24 Schulen zu Gast 02/24 Peace upon you, Jerusalem 1-8/24 Required Reading 01/24 Freundschaft ist Freude 11/23 Klangwerkstatt 11/23 Für Aller Seelen 5 10/23 Der andere Blick auf Kunst 08/23 Ein ukrainisches Kolumba 08/23 Bücher-Sonderverkauf 06/23 Un Film Dramatique 05/23 Kunsthaus Kalk-Atelier 04/23 Antarktis-Schaltung 01/23 Das Lesezimmer 11/22 Klangwerkstatt 11/22 Für Aller Seelen 4 11/22 mit Blick auf ... 07/22 Vortrag Linda Wiesner 05/22 Vortrag Rolf Lauer 11/21 Klangwerkstatt 11/21 Für Aller Seelen 3 08/21 New Ocean Sea Cycle 08/21 Kunst kommt aus dem Schnabel 07/21 Kunst als körperliches Erlebnis? 07/21 DE-COR (lake) 07/21 Performance Richard Tuttle 06/21 BODY TALE 02/21 Tonspur_Achim Lengerer 09/20 Fritz Hauser 05/20 Pfingstgottesdienst der ARD 01/20 Gespräche zur Zeit 01/20 Sternsinger 11/19 Theaterpreis 11/19 Klangwerkstatt 11/19 Für Aller Seelen 2 10/19 Restaurierungs-Werkstatt 10/19 Offenbach-Werkstatt 09/19 Bundespräsident 04/19 Religion und Humor 12/18 Büro-Termine 12/18 Finissage Michael Oppitz 11/18 Klangwerkstatt 11/18 Circumstance 18/06 Kolumba zu Gast 04/18 Ringvorlesung 02/18 Aktionstag des Berufskollegs 12/17 Schenkung Renate König 11/17 Klangwerkstatt 08/17 Zehn Jahre Kolumba 07/17 Flötenwerkstatt 06/17 Fronleichnam 06/17 Thomas-Morus-Akademie 06/17 Vortrag Rüdiger Joppien 04/17 Künstlergespräch 03/17 Schulen zu Gast V 03/17 Künstlergespräch 01/17 Konzertreihe 11/16 Klangwerkstatt 11/16 Konzert E-MEX Ensemble 10/16 VII. Albert Gespräch 07/16 Erzählter Vortrag 06/16 Eric Hattan & Julian Sartorius 06/16 Oper Köln - Liederabend 05/16 new talents 05/16 Harvey Death of Light 12/15 Trickfilmwerkstatt 11/15 Ukulelen-Ensemble 11/15 Lesewerkstatt 11/15 Klangwerkstatt 10/15 E-MEX Ensemble 10/15 Winterreise 10/15 Albert-Gespräch 09/15 European Workshop 09/16 Lesestunde 09/15 Lesung Navid Kermani 08/15 Love & Diversity 07/15 Ensemble Unterwegs 06/15 FORSETI feat. subsTANZ 06/15 Oper Köln zu Gast 03/15 Trickfilmwerkstatt 11/14 Tonspur (Achim Lengerer) 11/14 Edith Stein Tagung 11/14 Klangwerkstatt 10/14 Philosophisches Gespräch 10/14 E-MEX-Ensemble 10/14 Albert-Gespräch 10/14 Philosophisches Seminar 06/14 Schulen zu Gast III 05/14 Ensemble Garage 05/14 Veranstaltungen Intervention 04/14 start:review 04/14 West Coast Soundings 02/14 Barlach-Haus 12/13 Ukulelen-Ensemble 11/13 Tanzperformance 11/13 Klangwerkstatt 10/13 E-MEX-Ensemble 10/13 Albert-Gespräch 07/13 Katrin Zenz 06/13 Frank Gratkowski 06/13 HornroH Duo 05/13 Performances 03/13 Horatiu Radulescu 11/12 Klangwerkstatt 10/12 E-MEX-Ensemble 09/12 Mädchenkantorei 08/12 Cage: Empty Words 08/12 Schulen zu Gast II 08/12 Allen Malern herzlichen... 07/12 Tischgespräche 06/12 Tischkonzert 06/12 Kammer der Andacht 05/12 episteme 05/12 new talents 04/12 Cage: A Collection of Rocks 03/12 Cage: Number Pieces 03/12 Hans Otte 11/11 Klangwerkstatt 10/11 Albert-Gespräch 09/11 Implodierender Schreibtisch 07/11 Finissage 07/11 Schulen zu Gast I 11/10 Klangwerkstatt 11/10 Joseph Marioni 10/10 Albert-Gespräch 06/10 Steffen Krebber 05/10 Heilig-Geist-Retabel 02/10 Bernhard Leitner 02/10 Aschermittwoch 11/09 Klangwerkstatt 09/09 Andor Weininger 11/08 Klangwerkstatt 10/08 Donaueschinger Musiktage 06/08 Kolumba singt! 05/08 Katholikentag 04/08 Verabschiedung JMP 02/08 Alphornbläser 12/07 Deutschlandradio live 04/07 Art Cologne 08/05 1st view! 12/04 Die Pietà aus St. Kolumba 11/03 Schauspielhaus Köln |
|||