Raimund Girke – Schraffuren
»Mein ganzes Streben schon als Student an der Düsseldorfer Akademie war es, wirklich gegenstandsfrei zu arbeiten, weg vom Gegenstand, von der Figürlichkeit.« (Raimund Girke 2001 im Interview mit Dietmar Elger)
Raimund Girke (1930–2002) erhielt mit seiner auf wenige Merkmale reduzierten Malerei in der rheinischen Kunstszene ab 1960 frühe Aufmerksamkeit. Zwischen der Informellen Malerei der 1950er bis 1970er Jahre, dem sog. »Radical Painting« der 1980er Jahre und weiteren minimalistischen Positionen nimmt er nicht nur in unserer Sammlung eine Sonderstellung ein, insofern er Elemente dieser Haltungen sehr eigenständig miteinander verbunden hat. Girkes künstlerische Anfänge liegen bei »gebauten« Farbkompositionen im Stil von Serge Poliakoff und Georg Meistermann. Mitte der 1950er Jahre begann er, seine Palette weitgehend auf Schwarz und Weiß zu beschränken, Erdfarben einzuweben und andere Farben allenfalls in Untermalungen stehen zu lassen. Seinen zuweilen heftigen Malgestus disziplinierte er in handschriftartig vorgetragenen Schraffuren, die durch den Kontrast gesteigert werden. In den achtziger und neunziger Jahren emanzipierte er den Gestus der frühen Zeit, der als vibrierende Substruktur im Hintergrund wirksam geblieben war, zu seinem eigentlichen Bildthema. In feldartig wogenden Strukturen, die mit raumgreifenden Pinselstrichen ausgebreitet wurden, schuf Girke Bildarchitekturen voller Hell-Dunkel-Kontraste und magischer Tiefe. Nachdem mit dem Erwerb eines Frühwerks vor über zwanzig Jahren ein erster Schritt für die Sammlung getan werden konnte, ermöglichte Karin Girke Kolumba die Auswahl einzigartiger Werke aus dem künstlerischen Nachlass, die Dank der Schenkung weiterer Werke aus ihrem Besitz zu einem der eindrucksvollen monographischen Schwerpunkte der Sammlung führten. Die Ausstellung zum 90. Geburtstag des früh verstorbenen Malers konzentriert sich auf den Aspekt der schriftartigen, schraffierenden Malweise, die Girkes Werk in allen Phasen kennzeichnet. – Da wir im Frühjahr so lange geschlossen hatten, stellen wir mit der Ausstellung während der sonst üblichen Umbauphase ein besonderes Angebot. Mit den Möglichkeiten der Malerei leitet sie das Thema von Kunst und Choreografie ein, das in Kooperation mit tanz.köln mit der kommenden Jahresausstellung ab Mitte September erforscht wird: „Die Bewegung beginnt ja immer im ganzen Körper, und die muss man vor großen Formaten richtig ausleben.“ (R.G.)
Ausgestellte Werke:
Raum 10
Schwere Farben 1956, Öl auf Baumwollente | Ohne Titel (Fries I/Fries II) 1959, Mischtechnik auf Papier auf Hartfaserplatte | Jeremias Geisselbrunn (1595–1660), Jungfrau mit Kind aus dem Marienaltar in St. Kolumba Köln, ca. 1650, Alabaster | Wir danken der Ernst von Siemens Kunststiftung für die großzügige Unterstützung bei der anlässlich der Ausstellung erfolgten Restaurierung zweier früher Bildfriese.
Raum 11
In Weiß 1962, Mischtechnik auf Papier | Überschrieben 1958/62, Mischtechnik auf Papier | Vitrine: Sanghoon Kim (*1986) Memory Droplets 2017, Feinsilber, ziseliert (erworben mit finanzieller Unterstützung von Petersen Tegl) | Betty Blandino (1927–2011) Vase 1998, bemaltes glasiertes Steinzeug | Young-Jae Lee (*1951) Vase 1994, Steinzeug mit Feldspatglasur | Mit Horizont 1957, Mischtechnik auf Baumwoll-Ente | Ohne Titel 1976, Ei-Öl-Tempera auf Leinwand | Acht Zeichnungen Ohne Titel 2000, Bleistift auf Papier | Auf leichtem Grund 1960, Dispersionsfarbe auf Baumwoll-Ente (ehemals beschriftet und um 180 Grad gedreht) | Franz Heinrich Commans (1837–1919) Himmlisches Licht (Studie) ca. 1875, Öl auf Leinwand | Franz Ittenbach (1813–1879) Felsen/Kornfeld im Sommer am Wegesrand ca. 1831–1838, Öl auf Leinwand
Raum 12
Alexej von Jawlensky (1864–1941) Große Meditation – Der Mensch ist dunkler als die Nacht 1937, Öl auf Leinwand | Starker Kontrast 1991, Öl auf Leinwand | Ohne Titel 1998, Öl auf Leinwand | Die Zeit des Übergangs 1992, Öl auf Leinwand (alle ausgestellten Werke, Kolumba, Köln)
5. September, 14, 15 und 16 Uhr
Fritz Hauser – Schraffur
Werkstattkonzert für Raimund Girke